Gastbeitrag: Kein Schnack mit Cops – über White Privilege

Vor ein paar Tagen machte ein Aufruf von Ende Gelände die Runde. Es wurde darum gebeten, am Rande von Aktionen/Versammlungen keinen Smalltalk mit Polizist*innen zu halten. Es ging dabei um mehr als die übliche Mahnung zur Vorsicht, denn dieser Aufruf richtet sich primär an nicht rassifizierte Aktivist*innen und plädiert an ihre Rücksichtnahme ggü. Aktivist*innen, die dieses „Privileg“ nicht haben.

Ich kann den Hintergrund des Aufrufs zwar gut nachvollziehen, finde ihn aber dennoch etwas schwierig, nicht nur weil ich zu den Leuten gehöre, die genau das regelmäßig machen (und damit  insgesamt gute Erfahrungen bzgl. der deeskalierenden Wirkung gemacht habe), sondern auch weil ich befürchte, dass ein solcher Aufruf vonseiten der Polizist*innen falsch verstanden wird.

Ich habe ihn also mit zwei (reflektierten, weißen, männlichen) Cops diskutiert. Bzw. es versucht, denn besonders weit kamen wir nicht. Beide taten sich sehr schwer damit, die Motivation hinter diesem Aufruf nachzuvollziehen, sahen das als pauschale Misstrauensbekundung allen Polizist*innen gegenüber und primär die eskalierende Wirkung des sich gegenseitigen, misstrauischen Anschweigens. Auch das kann ich nachvollziehen. Allerdings haben hier drei weiß-deutsch gelesene Menschen diskutiert.

Ich bin mir meiner Privilegien durchaus bewusst. Ich habe zwar persönlich Erfahrungen mit rechtswidriger Polizeigewalt gemacht und bringe insofern ein gewisses „Grundmisstrauen“ mit, aber ich kann dennoch jederzeit in eine Polizeistation gehen, wenn ich ein entsprechendes Anliegen habe, oder die Polizei rufen. Denn ich bin weiß, weiblich und habe einen „deutsch“ klingenden Namen. Ich habe einen sicheren Aufenthaltsstatus und gehöre keiner irgendwie marginalisierten oder diskriminierten Gruppe an. Okay, ich bin links. Aber das steht mir nicht auf der Stirn geschrieben. Es könnte mir also theoretisch egal sein, ob mir ein rassistisch denkender/handelnder Mensch in Uniform gegenüber steht. Das IST ein Privileg, das sehr viele Menschen in diesem Land nicht haben. Denn für einen rassifizierten Menschen macht es sehr wohl einen Unterschied, ob da ein rassistischer Cop kommt oder nicht.

Kaum jemand behauptet ernsthaft, dass alle Polizist*innen Rassist*innen sind, bzw. rassistische Vorurteile haben und  (ggf. auch unbewusst) rassistisch handeln. Aber wir wissen, dass es diese Polizist*innen gibt. Was wir nicht wissen ist, wie viele es tatsächlich sind und ob wir just in diesem Moment einem oder einer gegenüber stehen.

Dieser Aufruf ist also nicht als individuelle Rassismusunterstellung gegenüber allen Polizist*innen zu verstehen, wohl aber als Misstrauensbekundung der Institution Polizei gegenüber, auch der Tatsache geschuldet, dass jede neue rechte Chatgruppe, jeder neu publik gewordene Fall von Racial Profiling oder Polizeigewalt von vielerlei Seiten noch immer als „Einzelfälle“ oder „bad apples“ bezeichnet werden, statt den Ursachen und begünstigenden Rahmenbedingungen dieser Ereignisse auf den Grund zu gehen.

Es geht dabei primär um das Erkennen des eigenen Privilegs, nicht betroffen zu sein.

Der Autorin kann auf Twitter unter @blaulichtzecke gefolgt werden.

Zivilcouragiertes Vorgehen im Polizeidienst

Gegen Umtriebe, menschenfeindliche Gesinnung und offenen Rassismus intern vorzugehen, erfordert in der Polizei vor allem Anstand und großen Mut. Die Angst vor Anfeindungen, Ausgrenzungen und Karriereende überwiegen häufig.
Umso besser, mehr und mehr von Kolleg:innen zu lesen, die solch einen Schritt gehen und sich gegen nicht tolerierbare Verletzungen unserer Werte wehren. Ihnen gebührt unser Dank und Anerkennung!

Pressemeldung: Dienstkräfte zeigen an

Direktlink zur Originalmeldung.

Von der Ambivalenz, als Polizist:in Flagge zu zeigen

Zu den gestrigen Aufzügen und Feiern anlässlich des CSD (Christopher Street Day) in Berlin habe ich auf meinen Social-Media-Kanälen „Happy Pride“ gewünscht (Twitter, Instagram).

Ich sehe mich als Straight Ally und freue mich mit der Community. Außerdem beschämt mich der jahrzehntelange, unwürdige Umgang des Staates und der Polizei mit der LSBTIQ*-Community. Es ist für mich daher selbstverständlich, meine Solidarität zum Ausdruck zu bringen.

Happy Pride

Allerdings habe ich ein Déjà-vu erlebt, denn neben einer überragenden Welle positiver Reaktionen erhielt ich wie im Vorjahr auch viele abwehrende und beleidigende Feedbacks aus der Gruppe derer, denen ich alles Gute wünsche.
Vielfach wurde darauf hingewiesen, dass ich als Polizist Teil des Problems sei, dass ich somit den Repressionsapparat direkt unterstütze und dass es keinen Konsenz geben kann.

„Stonewall was a riot“ und „No cops at Pride“ war häufig zu lesen.

Okay, das nehme ich zur Kenntnis. Und ich berichte darüber auch gar nicht, weil mein Ego dadurch einen Kratzer erhält oder weil mich die Abweisung meiner wohlmeinenden Unterstützung kränkt. Vielmehr ist es der Nachweis für gleich mehrere meiner Thesen:
Zum einen darf jede:r über die Polizei denken und sagen, was er will (natürlich, wenn strafrechtliche Grenzen nicht überschritten werden). Die Polizei hingegen darf das nicht, also „mit gleicher Münze zurückzahlen“. Wir müssen das hinnehmen und zudem versuchen, die Kritik zu verstehen, sie einzuordnen und das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen. Und selbst, wenn kein Verständnis aufkommt, muss man die Ablehnung zumindest als objektiven Fakt anerkennen.
Weiterhin zeigt sich, wie wichtig der von mir so betonte Perspektivwechsel ist. Unter allen, die sich über meine Geste empört hatten, war keine:r in der Lage, mich persönlich zu adressieren, um in einen Dialog einzutreten. Und gerade dieses Absolute, dieses Verneinende, führt selten zu etwas Gutem. Es spaltet, fördert Missverständnisse und verschärft den Dissenz. Und wieder: auch wenn ein beidseitiges Aufeinanderzubewegen schön wäre – gefordert ist vor allem der Staat, die Polizei. Denn er/sie wünscht sich das Vertrauen der Menschen, muss sich dieses jedoch verdienen.

Happy Pride

Im Kleinen verkörpert diese Erfahrung also einen Teil des großen Problems: der Weg an den gemeinsamen Tisch, der Respekt für andere Ansichten und der Mut, sich selbst ungeschminkt im Spiegel zu betrachten – all das sind nicht einfache, aber notwendige Schritte hin zu gedeihlichem Zusammenleben. Die Polizei ist gefordert. Meist, aber nicht nur.

Dieser Artikel ist eine persönliche Schilderung von Oliver von Dobrowolski.