Polizei und die LGBTIQ*-Community

Missverständnisse im polizeilichen Alltag kommen häufig vor. Problematisch ist das, wenn die Ursachen hierfür eigentlich längst ausgeräumt sein könnten.
Das betrifft neben dem Umgang mit marginalisierten Gruppen auch oft Interaktionen mit bestimmten Communities.

Queere Menschen aus der LGTBIQ*-Community haben zu oft noch ein gespaltenes Verhältnis zur Institution Polizei. Dies rührt natürlich aus der deutschen Rechtsgeschichte her, da insbesondere homosexuelle Handlungen kriminalisiert wurden, queere Menschen während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft verfolgt wurden und auch im Nachkriegsdeutschland Jahrzehnte vergehen mussten, bis der Staat nicht mehr mit polizeilichen Mitteln gegen sie vorging. Beidseitig wurden Feindbilder aufgebaut, deren Abbau noch bei weitem nicht abgeschlossen ist. Die noch defizitäre Rechtsstellung (z.B. im Adoptionsrecht, bei Blutspenden u.w.) sowie moralisch überkommene Haltungen wie z.B. bei vielen religiösen Strömungen tun ihr übriges.

Doch was tun für die Verbesserung des Verhältnisses zwischen Polizei und LGTIQ*-Community und wie stärken wir die vielen Kolleg:innen, die sich selbst in ihr verorten und dadurch auch im 21. Jahrhundert noch angefeindet und Ziel hämischer Witze und von Ausgrenzungen werden?

In den Polizeibehörden in Deutschland wurden in den letzten Jahrzehnten Stellen eingerichtet, an denen geschulte Ansprechpersonen für LGBTIQ*-Belange für die Verbesserung der Beziehungen Polizei <-> Community einerseits und für die Beschäftigten andererseits einstehen. Beispielhaft kann hier auf die Ansprechstelle der Polizei Berlin verwiesen werden, die als deutschlandweiter Vorreiter bereits seit Jahrzehnten Expert:innen im Hauptamt beschäftigt. In der Hauptstadt gibt es auch analog bei der Staatsanwaltschaft „Ansprechpersonen für LSBTI„.

Für die vielen queeren Beschäftigten in der deutschen Polizei gibt es Vereinigungen wie VelsPol, im europäischen Kontext auch die European LGBT Police Association (vormals EGPA).

Hervorheben möchte ich auch das Engagement meines Kollegen Wolfgang Appenzeller, der bei der Bundespolizei beschäftigt ist und auf seinem Blog sowie in den sozialen Netzwerken als GayGermanCop Zehntausende erreicht und hierfür auch in Uniform einsteht.

GayGermanCop

Wer sich unsicher ist im Umgang mit den Bezeichnungen oder anderen Dingen in diesem Kontext, dem sei empfohlen: Ask a (gay) cop!
Ansonsten kann man sich dem Thema auch z.B. über das Queer-Lexikon des Tagesspiegels nähern oder man schaut mal bei Netzangeboten wie der Siegessäule, dem L-Mag oder der Mannschaft vorbei.

Gastbeitrag: Polizei und Rettungsdienst – Zwei Fraktionen einer „Blaulichtfamilie“?

Trotz großer Unterschiede hinsichtlich der Aufgaben, Rechte und Strukturen werden Einsatzkräfte unterschiedlicher Dienste gerne in einem Atemzug genannt, in den Medien, der Politik, manchmal sind sie es auch in der eigenen Wahrnehmung. Das ist auch nicht völlig falsch: BOS – Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben – kurz: die Blaulichter.

Es gibt durchaus eine Reihe Gemeinsamkeiten, Schnittmengen, Parallelen – aber auch gravierende Unterschiede, im positiven wie im negativen Sinne.

Die Motive der Berufswahl dürften vielfach ähnlich gelagert sein: Ein abwechslungsreicher Beruf nah am Menschen, der Anspruch zu „helfen“, „Gutes zu tun“, bei manchen bestimmt auch ein bisschen Abenteuerlust, so ehrlich sollte man sein.

Auch das berufliche Erleben unterscheidet sich von vielen anderen Berufsfeldern, man kommt unweigerlich in die privatesten Bereiche der Menschen, in Situationen, die für einen selbst „Routine“, für diese Menschen jedoch z.T. emotional hochaufgeladene Not- oder Ausnahmesituationen sind – und muss den daran geknüpften Erwartungshaltungen gerecht werden, was natürlich nicht immer möglich ist.

Hinzu kommt, dass man der Schweigepflicht unterliegt, das z.T. extreme Erlebte mit niemandem außerhalb besprechen kann oder darf.

Neben diesen Gemeinsamkeiten gibt es jedoch auch erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Aufgabenbereiche, der Perspektive und der Interaktion mit den Menschen.

An dieser Stelle ein kleiner Exkurs zur Struktur des Rettungsdienstes. „Den“ Rettungsdienst gibt es genauso wenig wie „die“ Polizei, im Gegenteil, er ist sogar noch viel kleinteiliger organisiert. Zunächst: die „Hierarchien“ sind flacher, es gibt eigentlich nur 3 nichtärztliche Qualifikationen im Regelrettungsdienst: Notfallsanitäter*innen, (noch) Rettungsassistent*innen und Rettungssanitäter*innen, sowie Auszubildendende. Jedes Bundesland hat sein eigenes Landesrettungsdienstgesetz, Träger des Rettungsdienstes ist der Landkreis oder die Stadt, die Durchführung kann delegiert werden. Wenn man die 112 wählt, können einem also sowohl verbeamtete Berufsfeuerwehrleute, Angestellte im Öffentlichen Dienst, Angestellte von Hilfsorganisationen sowie z.T. sehr prekär Beschäftigte privater Unternehmen gegenüber stehen, die je nach Landkreis/Stadt trotz weitgehend einheitlicher Ausbildung anderen Vorgaben unterliegen. Es ist…kompliziert und trotz dahingehender Bemühungen weit von einheitlichen Standards entfernt.

In der Interaktion sowohl mit Patient*innen, Angehörigen oder auch der Polizei am Einsatzort macht das kaum einen Unterschied, wohl aber bezüglich der Zufriedenheit und Motivation der Einsatzkräfte.

Von außen betrachtet wirkt das Handeln unterschiedlicher Einsatzkräfte bei gemeinsamen Einsätzen meist kollegial,  was auch weitgehend zutrifft, man deckt unterschiedliche Teilbereiche derselben Gesamtaufgabe ab, kommuniziert dabei auf Augenhöhe und unterstützt sich gegenseitig. Diese „Nähe“, schon dadurch ersichtlich, dass man sich üblicherweise duzt, auch ohne sich persönlich zu kennen, erleichtert einen koordinierten, reibungslosen Einsatzablauf, birgt aber auch Stolperfallen. Denn während wir Rettungskräfte z.B. bei einem Unfallgeschehen darauf angewiesen sind, dass die Leute uns wirklich die ganze Wahrheit erzählen ( wie schnell sie gefahren sind, ob sie angeschnallt waren, was die intus haben, ob sie übermüdet sind, etc. ), um die Schwere der Verletzungen einigermaßen einschätzen zu können, haben sie das Recht, sich diesbezüglich ggü der Polizei nicht zu äußern.

Bei Einsätzen, zu denen man nicht unabhängig voneinander beordert wird, sondern sich gegenseitig nachfordert, kann die grundsätzlich gute Zusammenarbeit ebenfalls zum Problem werden, denn sowohl durch die Art der Nachforderung als auch durch die initiale Übergabe schafft man eine Art Voreingenommenheit. Man „spielt im selben Team“, was meiner Erfahrung zufolge insbesondere bei zwei rettungsdienstlichen Einsatzszenarien zum Problem werden kann: Menschen in ( wodurch auch immer ausgelösten ) psychischen Ausnahmesituationen und Versorgungen nach polizeilicher Gewaltanwendung.

Selten werden die Unterschiede in Perspektive und Herangehensweise offensichtlicher als bei Menschen in psychischen Ausnahmesituationen, das fängt bereits bei der Bezeichnung an, Patient*in vs Störer*in. Dieser Unterschied ergibt sich logisch aus der unterschiedlichen Aufgabenstellung, determiniert aber häufig das weitere Vorgehen. Während Rettungsdienstmitarbeiter*innen den Schwerpunkt auf die Gefährdung des/der Patient*in legen, sehen Polizist*innen primär die von ihnen ausgehende Gefahr für andere. Beides hat seine Berechtigung, ist bedingt durch Ausbildung, Aufgabenstellung und Erfahrung…aber bietet nicht immer eine Ideallösung, gerade im Umgang mit Menschen, die ( vermeintlich ) irrational handeln. Hier die nötige Balance zu finden, gestaltet sich manchmal schwierig, in manchen Fällen löst das bloße Auftreten mancher Polizist*innen bereits genau die Eskalation aus, die man eigentlich verhindern wollte.

Ein weiterer Punkt, an dem die Gleichsetzung unterschiedlicher Einsatzkräfte in die Irre führt, ist in den Medien gewissermaßen dauerpräsent und hoch aufgeladen: Übergriffe.

Sowohl Polizist*innen als auch Rettungskräfte kommen in Konfliktsituationen und werden zum Ziel verbaler wie physischer Übergriffe, allerdings stellt der gern verwendete Begriff „Gewalt gegen Einsatzkräfte“ eine aus meiner Sicht verzerrende und unzulässige Verallgemeinerung dar.

Während ( auch ) physische Auseinandersetzungen in gewisser Hinsicht zum Berufsbild und „Handwerkszeug“ von Polizeibeamt*innen gehören, haben Übergriffe auf Rettungsdienstpersonal häufig andere Ursachen, sind überwiegend im jeweiligen Krankheitsbild bzw. Zustand begründet, z.B. den oben bereits erwähnten psychischen Erkrankungen oder Ausnahmesituationen, Rauschzuständen aller Art, Entzugssyndromen oder simplen Stoffwechselentgleisungen. Das macht sie zwar nicht „ungefährlicher“, sie bedürfen allerdings einer differenzierten Betrachtungsweise und eignen sich nicht zur populistischen Meinungsmache.

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass Einsatzkraft nicht gleich Einsatzkraft ist. Das in der Regel gute, kollegiale Verhältnis untereinander erleichtert und ermöglicht Vieles, hat aber auch Tücken. Sich darüber sowie über die unterschiedlichen Perspektiven im Klaren zu sein und sie wechselseitig zu respektieren, ist gerade auch für Einsatzkräfte selbst wichtig.

Manchmal ein bisschen mehr Verständnis für die Spannungsfelder, die es trotz aller Kollegialität gibt und geben muss – das würde ich mir von allen Beteiligten wünschen.

(Autor:in ist uns bekannt)

Gastbeitrag: Rassismus oder mangelnde Ausbildung?

Wenn man sich über Polizei-Gewalt, Rassismus und Probleme zwischen Bevölkerung und der Polizei aufregt, dann sollte man sich erst einmal informieren, ob da nicht mehr dahintersteckt. Es ist so einfach die Menschen anzuklagen ohne die Problemursache (Root Cause) zu hinterfragen.

Wir alle machen jeden Tag, mit jedem Menschen den wir treffen, unbewusste Annahmen über diese Menschen. Wir interpretieren deren Aussehen, Körpersprache, Worte und liegen damit oft falsch, was die vielen Streitereien, Missverständnisse und verletzten Gefühle in all unser Leben beweisen.

Wer sich mit diesem Thema mehr auseinandersetzen will, sollte das Buch “Blink! – Die Macht des Moments” von Malcolm Gladwell lesen, wo er sehr viele unterschiedliche Beispiele verwendet um zu erklären, wie wir alle Moment-Annahmen treffen und deren Konsequenzen. Er verwendet Beispiele aus allen Sparten wie Musik, Kunst, Militär, Polizei, Medizin, Verkauf und mehr, wo uns erklärt wird, warum unser Unterbewusstsein uns falsch oder auch richtig informiert. Er bestätigt aber auch mit vielen Beispielen von Studien, dass wir unserem Unterbewusstsein nicht einfach nur so ausgesetzt sind! Wir können unser Unterbewusstsein schulen und trainieren und verbessern um somit bessere Bauchentscheidungen treffen zu können.

Unsere Umwelt, Eltern, Kultur und Erfahrungen prägen unser Unterbewusstsein und programmieren uns mit vorgefertigten Meinungen über Fremde und anders aussehende Menschen. Dieses kann mit einem Implizierten Assoziationstest (IAT) getestet werden. Leider hat man festgestellt, dass wir Menschen, auch wenn wir es nicht wollen oder wahrhaben wollen rassistische Tendenzen in unserem Unterbewusstsein tragen – WIR ALLE. Nur durch bewusste Schulung unseres Unterbewusstseins, kann der IAT Verbesserungen aufweisen, also eine Verbesserung unseres „Rassismus“.

IAT–Testverbesserung – Verbesserung unserer eigenen unbewussten Meinung über Menschen anderer Herkunft und Kulturen durch:

Polizei/private Menschen – Teilen von positiven Beiträgen von Menschen anderer Herkunft z.B. Sprüche mit Namen und Fotos des Autors, positive Informationen (Artikel, Videos, Ted Talks, Social Media Beiträge, usw.) von Weltpolitik & Ansätze mit Namen und Fotos, Trainer und Lehrer anderer Rassen bei der Polizei-/Ausbildung, Treffen mit positiven Einflussnehmern aus anderen Kulturen und Meinungsvertretern, Zusammenarbeit von Polizei mit Jugendlichen und Kindern von Migranten, Freiwilligenarbeit in unterprivilegierten Vierteln und vieles mehr

Schulbehörden – positive Bücher/Filme/Vorträge/Soziale-Median von imposanten Menschen anderer Kulturen und Rassen und alles was schon erwähnt wurde

Verbesserung des „Gedankenlesens“ – Verbesserung die Intentionen von unbekannten Menschen in kürzesten Augenblick zu erkennen:

Es ist möglich die Gedanken von Menschen lesen zu lernen: Hört sich unmöglich an? Paul Ekman und Wallace V. Friesen haben sich dieser Aufgabe in den 90ern gestellt und sie haben einen Weg gefunden: Microexpressionen / Micro-Gesichtsausdrücke.

Jeder Mensch, ob er es will oder nicht, zeigt diese Microexpressionen, auch Täter, Verbrecher oder Schuldige – aber auch Unschuldige oder falsch Verdächtigte. Und weil Ekman und andere bewiesen haben, dass man die Erkennung dieser Mikro-Gesichtsausdrücke zu erkennen lernen kann, sollten Schulen und alle Sicherheitsbehörden in diesem Bereich geschult werden. Somit könnten dann alle, aber vor allem die Polizei, diese „Gedanken“ dann im schnellsten Moment erkennen. Sie lernen somit, ob von einem Menschen Gefahr ausgeht oder ob er vielleicht nicht versteht was gesagt wird oder panische Angst hat. Somit könnten viele Falschreaktionen vermieden werden! Schulbehörden sollten dies in den Lehrplan mit aufnehmen, damit wir uns als Menschen untereinander besser verstehen lernen! Wäre das nicht mal was?!

Ekman hat auch schon in den USA bewiesen, dass man in kürzester Zeit „Gedankenlesen“ lernen kann, indem er mit einem kurzen 30-minütigen Film Polizisten geschult hat und diese hinterher, nach nur 1,5 Stunden in der Lage waren diese Microexpressionen zu erkennen.

auf www.facecoaching.de kann jeder einen Microexpressions Kurztest machen und schauen, wie gut man selber darin ist diese Microexpressions zu erkennen, also die Gedanken oder besser, die Gefühle anderer Menschen zu lesen. Man findet dort ein Bild mit einem Mann und wenn man mit der Maus auf das Bild klickt, dann sieht man für einen sehr kurzen Moment diese Micro-Gesichtsausdrücke, die jeder Mensch automatisch und unbewusst von sich gibt – Testen Sie sich selber mal: https://facecoaching.de/microexpressions-kurztest.html

Ein Interview der Süddeutschen Zeitung mit Paul Ekman finden Sie unter: https://www.sueddeutsche.de/wissen/ein-luegenexperte-im-interview-mir-entgeht-kein-gesichtsausdruck-1.471158

Hintergrund: In 1980 veröffentlichten Paul Ekman und Wallace V. Friesen „Facial Signs of Emotional Exprerience“ / Gesichtsausdrücke und Emotionale Gefühle im Journal of Personality and Social Psychology / Journal der Persönlichkeit und Sozialen Psychologie ihre Erkenntnisse – damit sind sie die Entdecker der Micro-Gesichtsausdrücke / Microexpressionen (diesen Beitrag kann man Online lesen oder herunterladen als PDF) – Sie erweiterten Ihren Befund und erstellten das Facial Action Coding System (FACS) / Gesichtsbewegungskodierungssystem (500 Seiten lang).  Auch der berühmte Professor and der Universität von Washington John Gottman, der seit Jahrzehnten Ehen und die emotionalen Zustände von Paaren studiert hat mit den beiden zusammengearbeitet. Dies sind drei der wichtigsten Wissenschaftler unserer Zeit. Eine Deutsche Studie hat Ekmans Thesen dann kurze Zeit später bewiesen!

(Maren Zimmermann)

Gastbeitrag: Die Polizei aus den Augen einer Autistin

Angst macht auch vor einer Uniform nicht halt

Die Polizei war für mich, während ich aufwuchs, immer die Instanz, die Menschen einfing, die böse Sachen machten. Und mit zunehmender Reife gab (und gibt) es einen Punkt, warum ich Polizisten einfach mochte (und immer noch mag) – die professionelle Distanz.

Ich bin Autistin. Mich mögen Polizisten nicht, denn in meinem Gesicht fehlt viel Mimik. Psychopathen und Soziopathen haben die gleiche Visage – auch diese Menschen reagieren verzögert und nicht immer adäquat. Genau wie ich. Nur bin ich kein Psychopath – in meinem Limbus ist genügend graue Masse enthalten, die mich zu einem mitfühlenden Wesen macht.

Das weiß aber kein Polizist, kein Sicherheitsmensch, dass ich Autist bin. Und dementsprechend werde ich an jedem Flughafen rausgezogen und es wird einfach mal alles kontrolliert. Oder bei anderen Überprüfungen werde ich mit Argus-Augen bedacht.

Das ist okay für mich. Denn ich weiß ja, warum ich so behandelt werde. Es steht mir ja nicht auf die Stirn geschrieben: „Ich bin nicht gefährlich, ich bin nur Autist“.

Darüber werde ich mich auch nie beschweren. Weil ich Polizisten mag. Sie haben bisher nie meine Grenzen überschritten und das gibt mir ein Gefühl von Sicherheit. Sie betrachten mich genau so wie ich jeden Menschen betrachte – misstrauisch. Denn Menschen sind unberechenbar.

Wenn ich jetzt auch noch eine andere Hautfarbe und einen entsprechend anders klingenden Namen hätte, dann wäre ich wahrscheinlich irgendwann sehr genervt. Wenn ich auf Polizisten träfe, die mich als deutliche Gefährdung wahrnehmen würden. Ich habe Glück. Ich bin deutlich deutsch in einer deutschen Welt. Ich darf nur an jedem Airport eine extra Kaffeepause einplanen.

Die letzten 25 Jahre habe ich in einem Bereich gearbeitet, der von Aussenstehenden als politisch eher links eingestuft wird. Ein Grund für mich, jedes Mal lachend vom Stuhl zu kippen. Innerlich. Denn ich habe in den Reihen meiner Kollegen viel erlebt – und die Skepsis gegenüber Menschen anderer Hautfarben ist recht oft recht groß. Und geht sogar oft weiter. Auch unbewußt.

Warum? Das habe ich mich oft gefragt. Innen ist jeder rosa. Wir sind alle gleich und funktionieren mit Wasser und Licht. Ich begann zu beobachten.

Menschen unterliegen in jedem Bereich der Gruppendynamik. Es gibt Anführer, Mitläufer und Rebellen. In jeder Gruppe. Anführer bestimmen das Bild und das Verhalten der Herde. Sie suchen sich ihre Mitläufer und Jene, die ähnlich ticken. Das geschieht intuitiv, habe ich bemerkt. Dazu kommen dann noch bestimmte Faktoren, die aus der Zeit der Menschheitsentstehung in unseren Genen verankert sind. Zum Beispiel die Angst vor Dingen, die wir nicht kennen.

Anführer sind Menschen, die oft gut manipulieren können. Die Regeln innerhalb einer Gruppe vorgeben. Die sich meist gar nicht bewusst sind, was sie anrichten. Sie geben den Wortschatz vor, das Verhalten und den Umgang miteinander. Wer sich mit Psychologie befasst, wird das kennen.

Es ist in meinen Augen wichtig, solche Anführer ernst zu nehmen und in die Verantwortung zu ziehen. Und bei den Mitläufern die Erkenntnis wecken, welchen schädlichen Weg sie eingeschlagen haben und welchen falschen Propheten sie folgen. Rassismus ist in unserer Zeit einfach nicht mehr anwendbar.

Es wird argumentiert, das seien Erfahrungswerte. Gut, will ich nicht von der Hand weisen. Mein Erfahrungswert ist zum Beispiel, dass Menschen mit einem bestimmten Aussehen und Kleidungsstil eindeutig rechtsradikal Denkende sind. Aber das ist auch nur ein Vorurteil. Einer meiner „Vorzeige-Nazis“ ist einer meiner besten Freunde, denn er ist alles – nur kein Rechter. VORURTEIL. Ich bin dem äußeren Erscheinungsbild auf den Leim gegangen. Habe aber nicht so gehandelt.

Rassismus wird sehr gut auf dem Boden der Angst gepflanzt. Und ich verstehe alle Polizisten, dass sie Angst haben. Sie wissen oft nicht, ob sie abends lebend nach Hause kommen. Angst macht auch vor einer Uniform nicht halt.
Fear keeps them in line. Anführer spielen mit der Angst, die in jedem Menschen wohnt und nutzen sie, um ein bestimmtes Handeln zu erzeugen.

Angst ist gefährlich. Sie warnt uns, aber sie kann uns auch schaden. Und wenn wir ihr nachgeben, dann ist der Weg in ein extremes Verhalten geebnet. Angst vor Tunneln. Angst vorm Fliegen. Angst vor jedem Ausländer.

Ich bin Autistin. Ich mag die Polizei, denn in jeder Uniform steckt ein Mensch und keine Maschine. Ich mache jeden Tag Fehler im Umgang mit Menschen, weil sich Menschen nicht berechnen lassen. Weil ich eine andere Wahrnehmung habe. Ich möchte hier daran erinnern, dass jeder einzelne Mensch die Welt mit eigenen Augen wahrnimmt. Und wenn wir aufeinander zugehen, wenn wir einander Verständnis entgegenbringen, dann können wir auch die Ängstlichen beruhigen.

Das ist Fiktion. Menschen haben alles, aber nie Verständnis. Wäre doch eine sehr negative Sicht auf die Dinge, nicht wahr?

Es ist Realität. Menschen können sehr wohl Verständnis für Alles und Jeden haben, wenn wir sie auch lassen und nicht mit vorgegebenem Vokabularium einschränken. Anführer benötigen besonders viel Verständnis und Unterstützung. Sie leben jeden Tag in einer Art Horror-Film, denn ihre Wahrnehmung stützt sich auf Angst und Manipulation. Gewalt erzeugt Gegengewalt, wissen wir. Doch was passiert, wenn wir ganz plötzlich und unablässig mit Verständnis arbeiten? Hm.

Polizisten sind mir wichtig. In Frankreich, in Nord-Irland und hier, in Deutschland, riskieren Frauen und Männer ihr Leben für andere Menschen. Nicht jeder Polizist ist von Anfang an eingeschränkt. Die meisten wollten etwas verändern, unsere Welt etwas sicherer machen. Die Veränderung geschieht durch andere Kollegen. Und das, was ihnen sehr gefiltert nahegebracht wird. Das passiert uns Allen, jeden Tag aufs Neue. Niemand ist dagegen gefeit. Aber jeder kann entscheiden, was wichtig ist. Und sollte dazu auch den Blick heben – über den Gartenzaun oder die Reviermauern.

(Alexa Zacher)

Warum warten? Ein Appell!

Der folgende Text wurde von einer Unterstützerin von BetterPolice eingesandt. Es handelt sich um eine Kollegin, der zum Glück auch nicht egal ist, wie sich die Polizei entwickelt und wie wichtig es ist, auch im Kleinen darauf hinzuwirken, dass diese Institution tolerant, offen und diskriminerungsfrei in Sprache und Handeln wird!

Polizeiwache, Besprechungsraum, ich betrete das Zimmer:
Kollege: Oh, jetzt müssen wir das Thema wechseln! Wir haben eine Frau am Tisch, hihihi.
Ich: Echt jetzt???
Kollege: Jetzt hab dich nicht so!

Polizeiwache, Besprechungsraum:
Chef: Dann wollte ich euch noch darüber informieren, dass es wir ein neues Logo haben.
Kollege II: Scheiße, sieht das schwul aus!
Ich: Inwiefern?
Kollege II: Hä? Sieht halt scheiße aus, die Farben und so.
Ich: Also ist „schwul“ gleichbedeutend mit „scheiße“?
Kollege II: Boah (genervt), du weißt doch wie ich das meine…
Chef: Dann machen wir weiter mit den kommenden Beförderungsmöglichkeiten.

Streifenfahrt, Streifenwagen:
Kollege III: Ui schau mal, den kontrollieren wir. Der hat bestimmt was dabei!
Ich: Warum meinst du das?
Kollege III: Ja was soll der denn sonst hier machen?
Ich: Im Park sitzen und die Sonne genießen, auf Freunde warten, Pause von der Arbeit…. keine Ahnung!
Kollege III: Sag mal, wie naiv bist du eigentlich?
Ich: Würdest du den Mann auch kontrollieren wollen, wenn er deine Hautfarbe hätte?
Kollege III: Was soll diese Frage denn? Weiß doch jeder, dass die hier handeln! (Anm.: mit Betäubungsmitteln)
Ich: Wer „die“?
Kollege III: Na die *Nationalität*.
Ich: Und woher weißt du, dass der Mann hier *Nationalität* ist?
Kollege III: Natürlich weiß ich das nicht… 

Habe ich Lust auf solche Diskussionen? Immer und immer wieder? Lust darauf zu erklären, warum solche Kontrollen nicht nur nicht rechtmäßig sondern auch schlicht menschenverachtend sind? Lust darauf zu erklären, warum eine gerechte und tolerante Polizei wichtig ist und was es für Menschen bedeutet (nicht) darauf vertrauen zu können? Lust darauf zu erklären, dass der Satz „Ist ja nicht so gemeint, wenn ich »N****, Z*******, Homo, Fotze« (gefühlt unendliche Liste) sage!“ totaler Bullshit ist und es der zuvor getätigten Aussage keineswegs die darin enthaltene Diskriminierung nimmt? Lust darauf zu erklären, dass Diskriminierung vom Empfänger definiert wird und niemals vom Sender? Lust darauf zu erklären, dass Diskriminierung mit unserer Wortwahl beginnt? Lust darauf zu erklären, dass es auch positiven Rassismus gibt?

Nein, ich habe definitiv keine Lust immer wieder diese Diskussionen zu führen! Aber sie sind wichtig, jede einzelne von ihnen! Sie sind soooo unendlich wichtig! 

Mache ich mich damit unbeliebt im Kolleg:innenkreis? Wahrscheinlich. Gelte ich als „anstrengend“? Ja, bestimmt. Sagen die Kolleg:innen hinter meinem Rücken: „Bei der musst du aufpassen, was du sagst, die ist so empfindlich!“? Davon bin ich überzeugt! Ist das gefühlt ein Kampf gegen Windmühlen? Nein!!! Denn es gibt uns, diese anderen Polizeibeamt:innen und wir sind mehr als viele denken! Die meisten von uns sind nur leider sehr sehr leise…

Die Frage welche unsere Gesellschaft in diesem Zusammenhang seit dem Bekanntwerden rassistischer Gruppenchats von Polizist:innen umtreibt ist: Gibt es „strukturellen Rassismus“ innerhalb der Polizei und wenn ja, wie ausgeprägt ist dieser? Die Fragen, die mich als Polizistin daraufhin umtreiben sind: Was ist eigentlich dieser „strukturelle Rassismus“ von dem hier alle sprechen und ist der Kampf dagegen für mich als Polizeibeamtin der richtige Lösungsansatz um auf die alltäglich stattfindende Diskriminierung innerhalb der Polizei zu reagieren?

Denn natürlich gibt es Rassismus innerhalb der Polizei – ob strukturell oder nicht – und ohne Frage gibt es Rassismus, der aus der Polizei heraus nach Außen sichtbar wird, z.B. beim Racial Profiling. Und ist dieser Rassismus strukturell bedingt oder strukturell befördert, ist das schlimm und ein Problem! Eine Studie ist wichtig um zu ermessen, wie groß dieses Problem ist und wo mögliche Hebel für Lösungsansätze sein können. 

Doch ganz ehrlich, darauf will ich nicht warten! Ich möchte nicht darauf warten, bis von Außen ein Ergebnis an die Polizei herangetragen wird und weitere Monate bis Jahre vorübergehen, bis sich tatsächlich etwas ändert! Denn ich als Polizistin bin viel zu oft konfrontiert mit Diskriminierung in jeglicher Ausprägung seitens meiner Kolleg:innen.

Es ist Zeit JETZT etwas zu ändern. Es ist Zeit JETZT zu zeigen, dass wir da sind, all diese Polizist:innen die tolerante und weltoffene Menschen sind, die Diskriminierung keinen Raum geben, weil sie per se einfach menschenverachtend und inakzeptabel ist. Es ist JETZT Zeit, dass unsere Stimmen gehört werden! 

Und dabei geht es mir nicht darum, der Gesellschaft zu zeigen, dass es uns auch gibt. Nein, es geht vielmehr darum, unseren Kolleg:innen zu zeigen, dass es uns gibt und dass wir viele sind! Dass hier eine bislang schweigende Mehrheit schlummert, die vergessen hat wie wichtig es ist aufzubegehren oder die bislang zu viel Angst davor hatte in diesem alten, trägen, weißen, männlichen Apparat mit seinen alten, trägen, weißen, männlichen Strukturen.

Es ist Zeit, dass wir uns bewusst machen, dass nicht wir diejenigen sind, die „anstrengend“ sind oder „empfindlich“ oder diejenigen, die „illoyal“ sind. Die Kolleg:innenschweine sind die anderen! Die Kolleg:innenschweine sind die, die mit ihren falschen Ansichten und Wertvorstellungen lauter sind als wir und somit das Bild der Polizei in der Öffentlichkeit prägen. Das macht mich unglaublich traurig und unfassbar wütend! Es ist JETZT Zeit, dass sich das ändert, dass wir das ändern. Wir müssen nicht auf die Politik warten oder auf die Medien oder auf den Druck der Gesellschaft. Wir können JETZT anfangen lauter zu werden!

Als Mensch und Polizeibeamtin habe ich gefühlt einen „Nebenjob“. Dieser besteht darin, nicht nur innerhalb unserer Gesellschaft sondern auch innerhalb des Kreises der Kolleg:innen für Toleranz, Gerechtigkeitsbewusstsein und Aufgeklärtheit zu sorgen. Meiner Ansicht nach, sind wir zunächst als Menschen aber auch zusätzlich durch unsere Berufswahl „Polizei“ zu diesem „Nebenjob“ verpflichtet! Klar ist das manchmal anstrengend und aufreibend und möglicherweise auch karriereschädigend. Für mich steht es jedoch völlig außer Frage ein Mensch und eine Polizistin zu sein, die auch im Inneren des Polizeiapparates für die Werte und Überzeugungen eintritt, denen wir verpflichtet sind! 

Ein Zwischenstand – Transparenzmitteilung

Seit Gründung der Initiative und der darauf folgenden starken Presseresonanz sind auf sämtlichen Kanälen hunderte Rückmeldungen zu BetterPolice eingegangen.
Die Resonanz ist somit rein quantitativ überwältigend, allerdings sind erfreulicher Weise auch die Inhalte dieser Feedbacks nahezu allesamt positiv und bestärkend. Zudem gingen unzählige Angebote für eine Mithilfe ein. Die Zahl derer, die BetterPolice aktiv unterstützen mögen, ist großartig. Vielen Dank dafür!

Besonders spannend ist, dass entgegen einiger Befürchtungen nicht in der Hauptsache Menschen außerhalb der Polizei ihr Interesse und ihre Mitwirkung angekündigt haben, sondern eine herausragende Menge der Rückmeldungen von Polizist:innen kam – vom Auszubildenden bis zum Direktor in exponierter Führungsfunktion.

Um der Initiative eine stabile rechtliche Einfassung zu geben, wurde beschlossen, eine Registrierung einer Vereinigung vorzunehmen. Dies soll aufgrund der vielfältigen Fühlungsvorteile in Berlin geschehen.
Die Ausarbeitung einer Satzung, das Zusammenfinden von Gründungsmitgliedern sowie die Aufstellung eines ersten Vorstandes im Sinne des Vereinsrechts laufen gegenwärtig.
Die erste Planung sieht vor, eine unentgeltliche Mitgliedschaft bei BetterPolice für Jedermensch anzubieten.

Medialer Impact

Seit der Gründung von BetterPolice gab es bereits viele wertschätzende Presseberichte über die Initiative. Natürlich auch ein Grund, warum sich bereits so viele Menschen gemeldet und zu einer Mitwirkung bereit erklärt haben.

Hier einige Beispiele:

Demokratieförderndes Engagement von Polizist:innen

Eine Debatte wird nicht fair und zielführend verlaufen, wenn sie als einseitig wahrgenommen wird und daher als pauschales Bashing empfunden werden könnte. Gerade Mitarbeitenden der Polizeibehörden mit gutem moralischen Kompass und hehren Zielen gefällt es häufig nicht, wegen des bekannt gewordenen Fehlverhaltens vieler Kolleg:innen in „Sippenhaft“ (huhu, „Polizeifamilie“…) genommen zu werden.
Auch wenn man der Ansicht sein kann, dass Vertrauen (erst) verdient und vorbildliches Verhalten im Anschluss honoriert werden muss, kann es nicht schaden, auch auf die vielen positiven Aspekte aufmerksam zu machen, die von Polizeimenschen in ihrer Freizeit unternommen werden (z.B. Vereine und Initiativen zur Unterstützung von geflüchteten Menschen oder von kriegerischen Konflikten Betroffenen in ihren Heimatländern) oder auch aus dem Polizeibehörden selbst kommen.

Regelmäßig soll hier also auch auf Projekte mit Vorbildcharakter hingewiesen werden.
Den Anfang mache ich auf Hinweis von Arno Peper, der in den sozialen Netzwerken Vielen als „Ostfriesencop“ bekannt ist. Arno arbeitet als Erster Polizeihauptkommissar beim Polizeikommissariat Emden und unterstützt dort als Demokratie-Pate das Ziel seiner Inspektion für Stärkung der Resilienz gegen antidemokratische Entwicklungen. Auch engagiert er sich als Privatmann öffentlich laut gegen die AfD.
Er hat uns den Hinweis auf die strategischen Bemühungen der niedersächsischen Polizei gegeben, wo man sich Gedanken zu einem „Polizeischutz für die Demokratie“ gemacht hat. Dies kann als möglicher Best Practice-Ansatz hier nahvollzogen werden.

Außerdem sei auch auf die Stiftung für die internationalen Wochen gegen Rassismus hingewiesen. Hier ist es seit einiger Zeit auch möglich, sich als Botschafter für die Polizei zu engagieren, entweder in amtlicher Funktion oder auch als engagierte:r Bürger:in in Uniform. Diese Bemühungen werden aktiv von der Gewerkschaft der Polizei und dem Bund deutscher Kriminalbeamter unterstützt und sollen z.B. den Kontakt zwischen Zivilgesellschaft und staatlicher Exekutive fördern, um gegenseitiges Vertrauen auf- und auszubauen. Nähere Informationen finden sich hier.

Logo Engagiert gegen Rassismus

Meet a cop?

Ein Schritt wäre auch hierzulande sinnvoll und wichtig, um einen Perspektivwechsel vornehmen zu können:
Der direkte Austausch zwischen Bürger:innen und der Polizei, natürlich verkörpert durch eine:n Polizeibeamt:in.

Im anglikanischen Raum ist das Projekt „Meet a cop“ schon deutlich weiter vorangeschritten und wird sogar von verschiedenen Polizeibehörden im Rahmen des Community Policing offiziell angeboten.
Ziel ist der Abbau von Hemmnissen, die andere Partei anzusprechen – zugegeben: meist bestehen Bedenken eher auf der nichtpolizeilichen Seite, aber auch für Polizist:innen ist es regelmäßig eine wertvolle Erfahrung, ohne konkreten Anlass in den Dialog zu treten.

Nun hat der geschätzte Felix Bölter, der auch das Blog Insight Polizei betreibt, ein solches Format für kommenden Freitag, 16. April 2021 um 19.00 Uhr vor. Genutzt wird dafür der noch relativ neue in Twitter integrierte Dienst Spaces.
Eine sehr gute Idee. Aber lest selbst…

Gastbeitrag: Die Thin Blue Line – Eine Erörterung

Die Thin Blue Line (dünne blaue Linie) symbolisiert die Polizei in ihren blauen Uniformen als die trennende Linie zwischen dem Bürger und dem kriminellen Chaos. Zudem soll an getötete oder verletzte Polizisten gedacht werden. Das Symbol der Thin Blue Line ist sowohl bei der Polizei als auch bei den Bürgern umstritten. Die Thin Blue findet sich heute in sogenannten Patches (Aufnähern) und in Flaggen.

TBL 1

Der Beitrag beschreibt zunächst die Geschichte und Kontroversen in USA und UK sowie die Kontroversen, die durch die Nutzung in Deutschland entstanden sind. Dieser Beitrag stellt lediglich Informationen zusammen, der Leser möge sich seine eigenen Gedanken dazu machen. Dieser Artikel ist ein modifizierter Blogbeitrag des Rechte Medien Info-Blogs. Blogbeiträge dort sind offen und werden von Zeit zu Zeit mit Updates versehen. Der Autor ist Privatperson, hat weder zur Polizei noch zu deren Gewerkschaften beruflichen Kontakt und ist lediglich Twitter-Follower des Hausherrn dieser Homepage. Der Name bleibt aus Gründen anonym.

https://rechtemedieninfo.blogspot.com/2021/01/thin-blue-line.html

Geschichte der Thin Blue Line 

Historisch gesehen ist die Thin Blue Line die dünne rote Linie der Marschformation des Southern Highland Regiments in der Schlacht bei Balaklava im Jahr 1854 während des damaligen Krimkrieges. Alfred Lord Tennyson widmete einem der anderen heroischen Truppenteile, den britischen Kavalleristen  das Gedicht “Der Todesritt der leichten Brigade”

https://de.wikipedia.org/wiki/The_Charge_of_the_Light_Brigade_(Gedicht)

Theirs not to make reply,

Theirs not to reason why,

Theirs but to do and die:

Into the valley of Death

Rode the six hundred.

Theodor Fontane übersetzte das Gedicht frei nach Tennyson ein Jahr später.

http://www.zeno.org/Literatur/M/Fontane,+Theodor/Gedichte/Gedichte+(Ausgabe+1898)/Bilder+und+Balladen/2.+Englisch-Schottisches/Balaklawa

Vorwärts; sie fragen und zagen nicht,

Vorwärts; sie wanken und schwanken nicht,

Vorwärts, gehorchen ist einzige Pflicht,

Ins Todestal,

In voller Zahl,

Reiten die Sechshundert.

Im Jahr 1911 schrieb der amerikanische Dichter Nels Dickmann Anderson ein ähnlich heroisierendes Gedicht zu Ehren der blau uniformierten US-Soldaten.

The thin, blue line that fights for right

That never bend the knee to might

Has ever since it knews gods light

Fought dark oppression in his lair

And routed wrong from valleys fair

Sweet peace and plenty leaving there

Zweiter Vers, erhalten im digitalisiertem Original-Gedichtband.

https://archive.org/details/voiceofinfiniteo00ande/page/6/mode/2up

In 1952 hieß eine wöchentliche Fernsehsendung bei NBCs lokalen Sender KNBH in Los Angeles “Thin Blue Line”, initiiert vom Polizeichef William Parker, der in diesen Sendungen von der täglichen Arbeit der Polizei und besonderen Verbrechen berichtete, sowie Fragen von Zuschauern beantwortete. Die englischsprachige Wikipedia (https://en.wikipedia.org/wiki/The_Thin_Blue_Line_(1952_TV_series) nennt das Urteil über die Sendung als zeitweise “unverfroren propgandistisch”. Dies ist der erste Bezug des Begriffs für die Polizei.

Die älteste Quelle für die Blue Thin Line nennt die deutsche Wikipedia mit 1962 als einen Artikel in der Sunday Times. Polizisten gegen Anti-Atomkraft-Demonstrationen sollen die Thin Blue Line getragen haben. https://de.wikipedia.org/wiki/Thin_Blue_Line

Die Nutzung der Thin Blue Line in den 2000ern

2015 Der Badge/Patch wird in Großbritannien in verschiedenen Dienststellen verboten, weil Vorgesetzte darin eine unzulässige politische Äußerung sehen. The Times, 16.02.2015 https://archive.is/nEJjJ

2016 Nach einem Attentat mit fünf getöteten und sieben verletzten Polizisten in Dallas durch einen Afroamerikaner und Polizistenhasser wurde die Thin Blue Line das Zeichen der “Blue Lives Matter”-Bewegung der US-amerikanischen Polizei als Gegenbewegung zu “Black Lives matter”. NBC News, 08.07.2016 https://www.nbcnews.com/storyline/dallas-police-ambush/protests-spawn-cities-across-u-s-over-police-shootings-black-n605686

2017 Während einer Demonstration von Neonazis in Charlottesville/ Virginia wurden inmitten von Konföderierten-/ Hakenkreuz-/ Gadsen-Flaggen der White Supremacists auch das amerikanische Star Spangled Banner in grauen Farbtönen mit der dünnen blauen Linie gesichtet. USA Today, 18.08.2017 https://eu.usatoday.com/story/news/nation-now/2017/08/18/thin-blue-line-what-does-american-flag-wit-flag-maker-condemns-use-white-supremacists-charlottesvill/580694001

2020 In einem kleinen Ort in Massachusetts wurde der örtlichen Feuerwehr verboten, Flaggen an ihren offiziellen Fahrzeugen zu führen, mit denen sie an einen ermordeten Polizisten erinnern wollten. Das Führen der Flagge löste Proteste der schwarzen Bevölkerung aus, die sich jeden Tag Polizeiwillkür ausgesetzt sehen. Der Artikel der Radiostatio NPR nennt auch die Vereinnahmung der Thin Blue Line durch die White Supremacists als Kritikpunkt. NPC, 31.07.2020 https://www.npr.org/2020/07/31/897615425/thin-blue-line-flags-stir-controversy-in-mass-coastal-community?t=1618070151292

2020 In Pelham, Westchester County, nördlich von New York spaltet sich die Bürgerschaft in Gegner und Befürworter von Zeichen der Thin Blue Line in den Straßen. Der Autor der New York Times schreibt von einem schwarz-weiß-blauen Rorschach-Test, weil das Symbol für die Menschen unterschiedliche Bedeutung hat. Besonders BIPoC würden die Symbolik unangenehme Gefühle verursachen, eine Frau kämpft um die Thin Blue Line, um an den eigenen ermordeten Vater zu erinnern. New York Times, 21.11.2020 https://archive.is/dACUB

2021 Beim Sturm auf das Kapitol am 06.01.2021 werden mehrere der hochgerüsteten Kämpfer mit dem Patch der Thin Blue Line erkannt. Einer der Kämpfer ist Eric Gavelek Munch, der einige Tage später verhaftet wird. NewsChannel5 Nashville berichtet über die Festnahme, im Artikel finden sich Tweets von Usern, die auf dem in den Medien bekanntesten Foto den Patch, hier mit dem Totenkopf “Punisher” erkannt haben. NewsChannel5 Nashville, 10.01.2021 https://www.newschannel5.com/news/newschannel-5-investigates/fbi-arrests-nashville-zip-tie-suspect-from-assault-on-u-s-capitol

Nach dem Sturm auf das Kapitol postet der Online-Shop “Thin Blue Line USA” ein Statement, das sich von den Vorgängen dort distanziert. Blogbeitrag vom 09.01.2021

https://www.thinbluelineusa.com/blogs/news/statement-on-events-in-washington-d-c

Einen in etwa gleich lautenden Beitrag hatte die Firma bereits zu den Vorfällen in Charlottesville im Jahr 2017 gepostet wie im oben verlinkten Beitrag zu lesen ist.

Die Thin Blue Line in Deutschland 

Im Jahr 2018 nutzte Alice Weidel, MdB der AfD den Begriff für einen Gastkommentar in der Jungen Freiheit. Sie beschreibt hier Übergriffe von Flüchtlingen auf Polizisten und fordert Rückendeckung von Regierung und Bürgern für die Beamten. Zitat: “Die Polizeibeamten, die die Bürger schützen und Recht und Ordnung durchsetzen, sind die „dünne blaue Linie“, die Zivilisation von Anarchie trennt. Lassen wir zu, daß diese Linie reißt, ist das Chaos nicht mehr weit.” https://archive.is/TY5X3

Im Jahr 2019 (oder davor?) begann die Gewerkschaft der Polizei GdP mit dem Versand von Patches an die Mitglieder. Für das Saarland schreibt der Landesvorstand Im April 2019 im “Flugblatt” für seine Mitglieder über das Verbot des Innenministeriums, die Patches im Dienst zu verwenden. PDF, 05.04.2019
https://www.gdp.de/gdp/gdpsl.nsf/res/4C0CB1B48CFEFC41C12583D80036FB1F/$file/190405_FB-11_blue-line.pdf

Auch andere Landesverbände der GdP verschenken den Patch, wie hier zu sehen

TBL 2

Medial bekannt sind Verbote im Saarland, Berlin, Sachsen.

Die Rechtmäßigkeit dieser Verbote wird oftmals angezweifelt, das Blog Polizist = Mensch beschrieb die Harmlosigkeit des Abzeichens und verurteilte den Missbrauch durch einige wenige Polizisten. Blogbeitrag, 03.10.2020
https://web.archive.org/web/20210121190317/https://polizistmensch.de/2020/10/auf-ein-wort-thin-blue-line

Erworben werden können Patches und Aufnäher über diverse Shops, etwa im offiziellen POLAS-Ausrüster-Handel oder im Polizei-Meme-Shop. Neben den Patches gibt es Armbänder oder Lanyards.

https://www.polasonline.de/epages/61196464.sf/de_DE/?ViewAction=View&ObjectPath=/Shops/61196464/Categories/22KN/22KN07&PageSize=60&Page=1

TBL 3

https://polizeimemesshop.de/collections/polizei-thinblueline/polizeipatch?page=2

Der Online-Shop von Heldenfarben wurde laut Eigenauskunft  2016 von einem Polizisten und einem Werbeunternehmer gegründet und sieht sich als Non-Profit-Unternehmen. Auf der “Über uns-Seite wird die “Blue Lives Matter”-Bewegung kritiklos übernommen.

https://www.heldenfarben.de/ueber-uns

Immer wieder finden sich – insbesondere in den sozialen Netzwerken – aufmerksame User, die auf Fotos einen Patch entdecken, dies führt dann oftmals zu Debatten bis in Ministerien hinein, zuletzt bei der Berliner Polizei mit einem eigentlich harmlosen Tweet über Lollies.

Zunächst ergab sich hier ein kurzer Austausch von Meinungen zwischen einem Vertreter der DPolG  mit dem Account der dritten Polizeigewerkschaft PolizeiGrün.

Etwas später berichtete die taz über die Anfrage, die einer der Berliner Abgeordneten als Kleine Anfrage an den Senat richtete, das Tragen des Patches sei nicht in böser Absicht geschehen, man hätte es auf dem Foto nicht gesehen. Verboten sei das Tragen dennoch.

https://taz.de/Thin-Blue-Line-Symbol-bei-Polizei-Berlin/!5757116

Auch im zivilen Bereich bei einer Hamburger Sicherheitsfirma findet sich der Patch mit blauroter Linie auf dem Hamburger Wappen, die rote Linie symbolisiert Feuerwehr und Sanitäter. Das Personal agiert in auffälliger Ausrüstung wie Polizisten von BFE-Einheiten und trägt im Dienst sogar Bodycams. Laut Auskünften der Firmenleitung nutze man die Thin Blue Line in ihrer Ursprungsform. Auftraggeber sehen bislang kein “rechtsextremes Potenzial”.

taz, 07.04.2021  https://taz.de/Blaue-Linie-auf-der-Uniform/!5764261