BetterPolice in den ARD Tagesthemen

Nachdem trotz weiterhin hoher und erschreckender Fallzahlen das Phänomen „Polizeiliches Fehlverhalten und illegitime Polizeigewalt“ durch die COVID19-Pandemie und stärker noch durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine aus den großen Rundfunkmedien verdrängt wurde, hat Caren Miosga als Anchorwoman der ARD Tagesthemen neulich ein Interview mit unserem Gründer und Sprecher Oliver von Dobrowolski geführt.

​Interview ARD Tagesthemen mit Oliver von Dobrowolski, BetterPolice​

Flankiert wurde damit ein Bericht zu einem Gewaltvorfall in Köln, bei dem ein junger Mann nachweislich von Polizisten misshandelt wurde.

Der Beitrag vom 16. Mai 2023 ist hier einsehbar.

BetterPolice auf dem Journalistentag 2022

JOTAG 2022 in Dortmund

Auf Einladung der Veranstalterin wird unser Sprecher Oliver von Dobrowolski am 19. November 2022 auf dem Journalistentag 2022 sprechen, der in der Sparkassenakademie Nordrhein-Westfalen in Dortmund stattfinden wird.
Mit anderen Referenten diskutiert er im Workshop »Auf der sicheren Seite? Wie Journalist:innen ohne Gefahr berichten können« über Aufgaben und Rechte beider Seiten (Polizei und Journalist:innen) und wie man das teilweise angespannte Verhältnis zueinander verbessern kann.

Ist dies notwendig?
Ja, denn in Zeiten, in denen sich – z.B. bei Großveranstaltungen und Versammlungen – Angriffe auf Medienvertreter:innen häufen, „Medienschutzbereiche“ eingerichtet werden müssen und die ein oder andere Polizeidienstkraft offensichtlichen Nachholbedarf beim Thema Presserecht offenbart, ist dies leider weiterhin verbesserungswürdig.
Die Polizei selbst zeigt sich noch allzu häufig unsensibel für das wichtige Anliegen der freien und geschützten Presseberichterstattung und lässt mitunter den Eindruck aufkommen, unabhängige Berichterstattung sei ihr nicht genehm:

Polizei RLP & Pressefereiheit

Weitere Informationen zur Veranstaltung sind auf der Internetseite des Journalistenverbands enthalten.

Podcast zur besseren Polizei

Im Sommer traf sich unser Sprecher Oliver von Dobrowolski mit dem innenpolitischen Sprecher der grünen Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Vasili Franco, um einen Podcast seiner Reihe »Berlin von Innen« aufzuzeichnen.

Vasili Franco & Oliver von Dobrowolski im AGH BerlinEntstanden sind zwei Episoden, die Vasili wie folgt beschreibt:

»Heute spreche ich mit dem Berliner Polizisten und Gründer der Initiative BetterPolice Oliver von Dobrowolski über die Probleme der Sicherheitsbehörden. In seinem kürzlich veröffentlichten Buch „Ich kämpfe für eine bessere Polizei“ legt Oli den Finger in die Wunde polizeilichen Fehlverhaltens wie Racial Profiling oder mangelnder Fehlerkultur. Wir sprechen auch über Olis Werdegang, wieso er als Polizist überhaupt politisch aktiv wurde und was hat ihn dazu gebracht ein Buch zu schreiben?

Im zweiten Teil meines Gesprächs mit Oli geht es direkt weiter mit der Frage: Gibt es Racial Profiling in der Polizei und wie wirkt Rassismuskritik innerhalb der Polizei? Was sind die nächsten Schritte auf dem Weg zu einer „besseren Polizei“?
Wie schaffen wir mehr Reflexion in den Polizeibehörden? Was sagt Oli zur Berliner Innenpolitik? Das und noch mehr bespreche ich mit dem Polizisten und Aktivisten Oliver von Dobrowolski.«

Die Folgen gibt es kostenfrei auf Spotify zu hören…

Teil 1: 30:58 Min.

Teil 2: 41:58 Min.

Tödliche Polizeischüsse in Dortmund – Ein Interview

Zum Polizeieinsatz in Dortmund, bei dem ein 16-jähriger Geflüchteter zu Tode kam, hat unser Sprecher Oliver von Dobrowolski dem Stern ein ausführliches Interview gegeben.
Hierin äußert er sich nicht nur zum konkreten Einsatz und seiner Bewertung, sondern auch z.B. zur Ausstattung mit Tasern und Bodycams sowie zu unabhängigen Untersuchungs- und Ermittlungsstellen sowie den unsäglichen Debattenbeiträgen von Rainer Wendt und Manuel Ostermann.

Das Interview ist hier aufrufbar. Leider (derzeit) hinter einer Bezahlschranke, die aber durch ein kostenfreies digitales Test-Abo umgangen werden kann.

Stern-Interview mit Oliver von Dobrowolski, BetterPolice

BetterPolice im EU-Parlament

Im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres – LIBE (Commitee on Civil Liberties, Justice and Home Affairs) – des Europäischen Parlaments sprach heute der Gründer und Sprecher von BetterPolice, Oliver von Dobrowolski, zum Thema »Police ethics, the use of force and respect of fundamental rights in law enforcement work, Panel 2: ways to improve awareness, training and supervision«.

LIBE-Ausschuss 12.05.2022

Das Redemanuskript kann hier eingesehen werden.

Tödlicher Polizeieinsatz in Mannheim

Zum tödlich verlaufenden Polizeieinsatz im Mannheim (Hintergrund) erklärt der Gründer und
Sprecher von BetterPolice, Oliver von Dobrowolski:

Der Umgang mit psychisch auffälligen Personen nimmt zunehmend Raum in der Aus- und Fortbildung der Polizei ein, meines Erachtens jedoch noch nicht in zureichendem Maße.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass jährlich weltweit, aber leider auch in Deutschland, viele Tote bei Polizeieinsätzen zu vermeiden wären, wenn geschultes Fachpersonal beigezogen würde, vor allem im Umgang mit Menschen, die psychisch erkrankt sind oder bei denen akute Krankheitsbilder zu einer Eintrübung führen. Bei diesen Menschen ist oft davon auszugehen, dass sie nicht „normal“, also berechenbar auf Ansprache und insbesondere körperliche Kontakte von fremden Menschen reagieren. Dies wird von Polizist:innen meist fehlgedeutet, wodurch es zu einer erhöhten Gewaltanwendung kommt, um die betreffende Person, die sich in der Regel stark wehrt, zu fixieren und zu „sichern“. Die Dynamik solcher Aktionen bedingt dann häufig schlimme Folgen wie einen kollabierten Kreislauf oder den sog. lagebedingten Erstickungstod.
Meine seit langem vorgetragene Forderung lautet daher, Polizeimitarbeitende in Aus- und ständiger Fortbildung besser auf den Umgang mit psychisch auffälligen/kranken Menschen vorzubereiten, sie außerdem besser in eine helfende Lage zu versetzen (erweiterte Erste Hilfe/Ersthelferausbildung) und vor allem, dass staatlich veränderte Infrastrukturen geschaffen werden, um in solchen Einsatzlagen – soweit erkennbar (dürfte in Mannheim so gewesen sein) – nicht in erster Linie Polizist:innen mit Pfefferspray, Schlagstock oder Waffe zu den Menschen zu schicken, sondern eine mobile Notambulanz, die sich fachlich besser um solche Personen kümmern kann. Dazu bedarf es natürlich eines gewissen Dauerdienstes (24/7) und einer entsprechenden Beschickung, also dass Notfallleitstellen bei eingehenden Alarmen nicht (nur) Polizei und Feuerwehr entsenden, sondern eben diese Fachleute.
Ganz konkret zu dem Vorfall in Mannheim kann man nur spekulieren, da die öffentlich vorhandene Videoaufzeichnung freilich nur einen Ausschnitt der Sachlage wiedergibt.
Für die beteiligten Polizist:innen war die Angelegenheit gewiss ebenfalls nicht geplant und gewollt. Soll heißen: möglicherweise gab es ein Fehlverhalten bei der Lageeinschätzung und der Behandlung der Person. Ob dies aber auch fahrlässig und somit vorwerfbar ist, lässt sich per Ferndiagnose kaum einschätzen. Hier kann man nur auf objektive, ergebnisoffene Ermittlungen von Dienstaufsicht und Staatsanwaltschaft hoffen.

Zivilcouragiertes Vorgehen im Polizeidienst

Gegen Umtriebe, menschenfeindliche Gesinnung und offenen Rassismus intern vorzugehen, erfordert in der Polizei vor allem Anstand und großen Mut. Die Angst vor Anfeindungen, Ausgrenzungen und Karriereende überwiegen häufig.
Umso besser, mehr und mehr von Kolleg:innen zu lesen, die solch einen Schritt gehen und sich gegen nicht tolerierbare Verletzungen unserer Werte wehren. Ihnen gebührt unser Dank und Anerkennung!

Pressemeldung: Dienstkräfte zeigen an

Direktlink zur Originalmeldung.

Gastbeitrag: Polizeigewalt

Das Thema ist derzeit wieder recht präsent in den (sozialen) Medien, was mich dazu brachte, mich mit meinen eigenen Erfahrungen auseinander zu setzen, das Erlebte aus der Distanz von gut 15-20 Jahren erneut zu bewerten…und es endlich zu dokumentieren.

Ich habe Polizeigewalt am eigenen Leib erfahren, beobachtet und als Sanitäterin die Folgen behandelt. Dennoch fällt es mir schwer, diesen pauschalisierenden Begriff zu verwenden, ohne ihm komplett seine Existenzberechtigung absprechen zu wollen.

Man muss meines Erachtens zwei Ebenen klar trennen: Zum einen ist da die Gewalt, die von einzelnen Polizisten ausgeübt wird, z.T. als Überschreitung dessen, was ihnen an Gewaltanwendung im Rahmen ihrer Amtsausübung gestattet ist, z.T. jedoch auch die geradezu sadistische Brutalität einiger Schläger*innen in Uniform, die nur deshalb nicht als Gewaltstraftäter*innen im Knast sitzen, WEIL sie diese Uniform tragen. Und hier kommen wir zur zweiten, systemischen Ebene, die meines Erachtens das eigentliche Problem darstellt und dem Begriff Polizeigewalt seine Daseinsberechtigung verleiht. Das eigentliche Problem sind nicht einzelne „Prügelbullen“ oder mental für den Beruf eher ungeeignete Berufsanfänger*innen, die sich unter Stress nicht im Griff haben und die Beherrschung verlieren. Das Problem sind Korpsgeist und bewusstes Wegsehen. Und das Fehlen einer tatsächlich neutralen, übergeordneten Ermittlungsinstanz.

Ich möchte hier exemplarisch von einer persönlichen Erfahrung berichten. Das Ganze spielte sich vor etwas über 15a in einer deutschen Großstadt ab. Ich hatte mich, wie viele Male davor und danach, an einer symbolischen Blockade im Namen einer international agierenden Umweltschutzorganisation beteiligt, die nach einiger Zeit geräumt wurde. Zu den unverhandelbaren Grundsätzen dieser NGO gehört bedingungslose Gewaltfreiheit, was den meisten Polizist*innen auch bekannt ist. Auch deshalb laufen derartige Aktionen in aller Regel vergleichsweise friedlich ab, zumindest in Deutschland. Auch werden sie üblicherweise von Medienvertreter*innen begleitet und dokumentiert, was einen ungemein disziplinierenden Effekt hat und zudem im Bedarfsfall Beweismittel liefert.

Nachdem die Aktion (eine Blockade) seit einigen Stunden Bestand hatte, wurde von Seiten der Polizei beschlossen zu räumen. Ich saß ziemlich am Rand zwischen einem Bauzaun und einem dort abgestellten PKW, hielt mich locker im Radkasten und am Zaun fest. Es war kalt, ich trug Halbfingerhandschuhe und hatte aufgrund der Kälte kaum noch Gefühl in den Fingern. Da ich an dieser Stelle alleine saß und insofern „leicht“ zu räumen war, wurde ich mit als erste geräumt. 4 Polizist*innen, die im Vorfeld bereits unsere Personalien kontrolliert und normal mit uns geredet hatten, kamen auf mich zu, forderten mich 3x auf, mich zu entfernen, was ich höflich aber bestimmt abgelehnt habe. Daraufhin bogen mir zwei Polizist*innen die Finger auf, um mich von Bauzaun und Auto zu trennen, wobei beide nicht mehr Kraft als erforderlich aufwandten (soweit alles korrekt) und schleppten mich (ich verhielt mich völlig passiv) zu dritt in Richtung ihrer Fahrzeuge. Soweit eine völlig normale, friedliche Räumung. Nach einigen Metern jedoch hörte ich, wie einige Mitaktivist*innen laut und in besorgtem Tonfall meinen Namen quer über den Aktionsort riefen und wissen wollten, was passiert sei, ich würde bluten. Erst da bemerkten sowohl ich als auch die Cops, dass ich tatsächlich eine relativ stark blutende Verletzung an der Hand hatte. Unter den Polizist*innen brach Hektik aus, besonders bei der Beamtin, die meine Hand aus dem Radkasten gezogen hatte, wobei es zu einer großflächigen Ablederung gekommen war (die ich aufgrund der Kälte zunächst gar nicht gespürt hatte). Die Cops brachten mich zu ihren Fahrzeugen, versuchten sich als Ersthelfer*innen und waren sichtlich erleichtert, als ihnen klar wurde, dass ich das als Unfall wertete und niemandem einen Vorwurf machte. Aber natürlich hatten sie ihrer Einsatzleitung gemeldet, dass jemand im Rahmen der Maßnahme verletzt worden war. Dann tauchte plötzlich ein Vorgesetzter auf: „Wo ist die verletzte Person? Die kommt einmal mit!“ Ich wurde mit meinem Verband an der Hand zu einem Gefangenentransporter gebracht und bekam Handschellen angelegt. Meine Frage, ob das jetzt nicht doch ein wenig übertrieben sei, wurde mit einem knappen „Sorry, Vorschrift“ beantwortet – na gut, ich diskutiere nicht mit Beamt*innen über die Sinnhaftigkeit von Vorschriften.

Die Fahrt ging direkt ins Präsidium. Dort wurde ich (in Handschellen) zunächst einmal komplett durchsucht, mir wurden Gürtel und Schnürsenkel abgenommen (echt blöd, wenn man eine ziemlich weite Cargohose und bis ganz zur Spitze geschnürte Bergstiefel trägt) und ich wurde offen angefeindet, was ich zu diesem Zeitpunkt nicht nachvollziehen konnte. Danach brachte man mich in eine Sammelzelle, wo ich zum ersten mal die Handschellen wieder los wurde. Ich war zu diesem Zeitpunkt noch ziemlich entspannt, auch wenn ich den Aufriss in Relation zu unserer Aktion ziemlich übertrieben, und die Tatsache, dass mir eine professionelle Versorgung der verunreinigten Wunde trotz mehrfacher Nachfrage verweigert wurde, etwas befremdlich fand.

Danach saß ich einige Stunden in der sich zunehmend füllenden Zelle und wunderte mich, was der Mist sollte. Üblich sind bei solchen Aktionen eine Personalienaufnahme, ein Platzverweis, die Konfiszierung der Aktionsmittel und ein paar Wochen später Post von der Staatsanwaltschaft.

Irgendwann tauchten 2 Cops an der Zellentür auf: „Gefangene Soundso? Vortreten!“ Ich trat vor. „Hände vor!“ Ich verkniff mir die Frage nach der Notwendigkeit…

Auf dem Weg durchs Gebäude kamen wir an Toiletten vorbei und ich bat die beiden (männlichen) Cops, zur Toilette gehen zu dürfen. Sie schienen etwas genervt zu sein, billigten es mir jedoch zu. Meine Bitte, mir dafür die Handschellen abzunehmen, wurde vehement abgelehnt. Zudem bestanden sie darauf, dass ich Tür der Toilettenkabine nicht nur nicht verriegelte, sondern offen stehen ließ und blieben unmittelbar davor stehen. Danach ging es zur Vernehmung, in ein ziemlich düsteres, altbacken eingerichtetes Büro, wo man mich mitsamt meiner Handschellen recht unsanft auf einem Stuhl platzierte. Ein älterer Polizist in Zivil betrat den Raum, knallte ein paar Papiere auf den Schreibtisch und fing sofort an, mich anzubrüllen: „HABEN SIE IRGEND ETWAS ZU IHRER VERTEIDIGUNG VORZUBRINGEN?!“ Ich war etwas perplex aber auch zunehmend sauer und fragte ihn mühsam beherrscht, ob er mir nicht vielleicht erstmal sagen könne, was mir eigentlich vorgeworfen würde. „DAS ERDREISTEN SIE SICH NOCH ZU FRAGEN?! SIE…SIE…SIE HABEN WIDERSTAND GELEISTET!!“ „Bitte was soll ich gemacht haben?!“ Da fiel mein Blick auf den Verband und ich verstand den Zusammenhang, den ich bis zu diesem Zeitpunkt für maßlos übertriebene, einseitige Berichterstattung gehalten hatte. Entgegen meiner sonstigen Gepflogenheiten in einer polizeilichen Vernehmung nichts zur Sache zu sagen, platzte mir der Kragen und ich zischte ihn in ausgesucht höflicher Wortwahl und sehr scharfem Tonfall an, dass die Verletzung Folge eines Unfalls und dies seinen Kolleg*innen vor Ort auch bewusst sei. Im Übrigen sei es unzumutbar, dass mir die medizinische Versorgung verweigert würde und ich wünsche, meinen Anwalt zu sprechen. Er versuchte, mich einzuschüchtern, sagte ‚aus der Nummer käme ich nicht mehr raus, ich würde von meinem hohen Ross schon noch runter kommen, diesmal hätte man mich am Arsch‘. Ich sagte nichts mehr, außer meinen Angaben zur Person, 5 oder 6 mal, bis er pöbelnd aufgab und mich abführen ließ. Wie in einem schlechten Film.

Nach mehrfacher Nachfrage räumte man mir die Möglichkeit ein, meinen Anwalt anzurufen. Ich hatte die Nummer im Kopf, kam aber nicht durch. Mein Anwalt saß in einer anderen Stadt, man hatte mir jedoch ein Telefon gegeben, von dem aus nur Ortsgespräche geführt werden konnten. Ich bekam das örtliche Telefonbuch auf den Tisch geknallt, ich solle mir halt einen aussuchen…ich verzichtete. Meine bei der Gelegenheit erneut vorgebrachte Bitte um medizinische Versorgung wurde lediglich mit einem Schulterzucken und einem barschen „Selber schuld“ quittiert.

Danach verbrachte ich erneut mehere Stunden in der zwischenzeitlich wieder leeren Zelle. Irgendwann flog die Tür wieder auf: „Gefangene Soundso…“ . Ich kannte das Spielchen ja zwischenzeitlich, stand auf, stellte mich in ausreichendem Abstand vor die beiden Cops und hielt unaufgefordert meine Hände vor, um mir Handschellen anlegen zu lassen. „UMDREHEN!“ Ich schaute den Wortführer etwas ungläubig an und fragte mich, ob er das ernst meinte. Der Schlag gegen meine Schulter reichte, um mich herum wirbeln zu lassen und klärte meine Frage abschließend. Also hatte ich nun offene, kaum an den Füssen bleibende Schuhe, eine auf halb Acht hängende Hose, einen sich zunehmend auflösenden Verband an der Hand und die Hände auf dem Rücken gefesselt. Haltung bewahren, keine Schwäche zeigen…nichts leichter als das…

Die Beiden nahmen mich in ihre Mitte und gingen sehr zügigen Schrittes durchs Gebäude, wobei mich einer der beiden mehrfach anherrschte, ich solle schneller gehen. Ich verkniff mir jeden Kommentar. Wir kamen um eine Ecke und standen vor einer ziemlich steilen (Keller?-)Treppe, ohne Fenster, mit einem Handlauf links. Am Fuße der Treppe waren vielleicht noch 1,5 m Platz bis zu einer Wand. Der Wortführer packte mich recht unsanft am Oberarm, schob mich in Richtung der Treppe und bedeutete mir mit einer Kopfbewegung, ich solle da jetzt runter. Beide Cops blieben hinter mir stehen, keiner ging vor, um mich mit meinen offenen Schuhen und ohne die Möglichkeit, mich festzuhalten, abzusichern.

In diesem Moment bekam ich wirklich Angst. Ich redete mir auf jeder Stufe ein, es würde nichts passieren, ich würde mich verrückt machen, wir waren schließlich in Deutschland, im 21. Jahrhundert, nicht in einem schlechten Film. Trotzdem beeilte ich mich, die Treppe hinunter zu steigen und korrigierte auf jeder Stufe meinen Stand im Schuh, versuchte fieberhaft abzuschätzen, ab welcher Höhe ich unter diesen Bedingungen wohl einigermaßen sicher abspringen könnte.

Der Stoß kam auf der 4. oder 5. Stufe von unten, vom Wortführer. Ich konnte abspringen, irgendwie auf meinen Füßen landen und mich noch halb zur Seite drehen, so dass ich den Aufprall an der Wand im Wesentlichen mit der Schulter anfangen konnte. Abgesehen von ein paar Hämatomen im Gesicht und an der Schulter wurde ich nicht weiter verletzt – weil ich damit gerechnet hatte. Ich drehte mich mühsam beherrscht zu den beiden Cops um, die nach wie vor auf der Treppe standen. Der Wortführer grinste mich hämisch an und sagte extrem laut (dafür, dass wir nur zu dritt auf der Treppe waren): „Hoppla, junge Frau, nicht stolpern…“

Ich denke, dass er mich tatsächlich weniger ernsthaft verletzen, als vielmehr eine echte Widerstandshandlung oder doch zumindest eine Beleidigung provozieren wollte. Es gelang ihm nicht. Ich stand einfach nur da und starrte ihn an. Er machte eine Bewegung in meine Richtung, in diesem Moment hob sein Kollege, der bis dahin nichts gesagt oder getan hatte, nur einmal kurz die Hand…mehr passierte nicht.

Sie brachten mich dann zum unmittelbar angrenzenden Erkennungsdienst – was wohl auch der Grund dafür war, weshalb der Wortführer auf der Treppe so laut gesprochen hatte. Er brauchte Zeug*innen.

Nachdem ich (von einem professionell korrekten) Beamten erkennungsdienstlich behandelt worden war, brachten mich zwei andere Cops zurück in die Zelle. Wieder mit Handschellen, allerdings vor dem Körper, in meiner Bekleidungssituation angemessener Geschwindigkeit, und einer der beiden sicherte mich sogar auf der Treppe.

Nach etwa einer weiteren Stunde wurde ich (natürlich in Handschellen) aus der Zelle geholt, zum Empfang gebracht, bekam meine Privatgegenstände ausgehändigt und wurde kommentarlos entlassen. In der ganzen Zeit war weder meine Verletzung versorgt worden, noch hatte ich Kontakt zu meinem Anwalt.

Einige Wochen später bekam ich Post von der Staatsanwaltschaft, ein Strafbefehl wegen der im Rahmen der Aktion begangenen Straftaten, der später gegen Auflage eingestellt wurde. Der ursprüngliche Tatvorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wurde darin nicht einmal mehr erwähnt…naja, es gab ein Pressevideo, welches, wie mir erzählt wurde, im Rahmen der Berichterstattung über die Aktion im Fernsehen lief. Im polizeieigenen System stand der Vorwurf allerdings 10 Jahre lang. 10 Jahre, in denen so manche 08/15 Kontrolle damit endete, dass die ursprünglich freundlichen Cops plötzlich sehr schmallippig wurden und die Hand an der Waffe hatten.

 Ich habe mich mit der Wertung dieser Erfahrung lange schwer getan, es lange nur wenigen Vertrauten erzählt, nicht zuletzt weil ich dachte: `Das klingt so unglaublich, das nimmt dir niemand ab.` Wie ein schlechter Film eben. Selbst meinem Anwalt habe ich erst mit etwas Verzögerung davon berichtet. Er riet mir von einer Anzeige ab. Ich habe den „Wortführer“ nicht angezeigt und bin mir bis heute nicht sicher, ob das die richtige Entscheidung war. Es gab keine Zeug*innen, und der zweite Cop hätte meiner Einschätzung zufolge nicht gegen seinen Kollegen ausgesagt, sonst hätte er viel früher interveniert.

Ich war damals schon weltanschaulich leidlich gefestigt, hatte mich „gut im Griff“ und konnte zwischen der Uniform an sich und dem individuellen Arschloch in der Uniform differenzieren. Trotzdem hat mich dieses Erlebnis geprägt. Es hat keinen Hass in mir ausgelöst, wohl aber ein tief sitzendes Misstrauen.

Es war beileibe nicht das einzige Mal, dass ich mit polizeilicher Gewalt konfrontiert wurde, ich habe mir auf Demos und Aktionen durchaus den ein oder anderen Schlagstockhieb, Tritt oder Faustschlag eingefangen. Allerdings waren das stets Situationen, in denen man zumindest theoretisch einen Exzess oder Kontrollverlust im „Eifer des Gefechts“ unterstellen könnte, weshalb ich persönlich solche Situationen als weniger gravierend einstufe. Das oben beschriebene Ereignis hingegen sticht durch seinen eindeutig kriminellen Charakter hervor.

Meine Haltung der Institution Polizei gegenüber hat sich dadurch gewandelt. Dass es immer und überall „schwarze Schafe“ gibt, war mir natürlich klar, aber ich hatte, auch als Aktivistin und damit naturgemäß häufiger in Situationen, in denen ein Interessenskonflikt bestand, dennoch ein Grundvertrauen darin, dass Polizist*innen ihren Job korrekt machen. Danach hatte ich verstanden, dass darauf zumindest kein Verlass ist. Nicht der Schläger selbst hat mir das Vertrauen in die Polizei buchstäblich „ausgeprügelt“, sondern die anderen, die nicht eingegriffen haben.

(Die Autorin ist bekannt)