Menschenfeindlichkeit in der Polizei – Gastbeitrag

Kaum etwas steht so stellvertretend für das Versagen der Polizei als vertrauenswürdige und rechtsstaatliche Institution wie die seit Jahren vielfach aufgeflogenen Chatgruppen mit verachtenswerten, verfassungsfeindlichen Inhalten.
Aus diesen ergaben sich allzu häufig Beweise und/oder Hinweise für bzw. auf menschenfeindliches, justiziables Verhalten von Polizist:innen. Insbesondere Formen des Rassismus, der Verehrung des Naziregimes oder auch sexistische, ableistische und queerfeindliche Postings haben die Öffentlichkeit erschüttert.

Nun hat die Redaktion des ZDF Magazin Royale in ihrer Sendung vom 29. September 2023 erneut auf dieses Phänomen hingewiesen und erstmals eine genaue Auswertung und Aufarbeitung eines menschenfeindlichen Chats von Polizist:innen einer Dienstgruppe des 1. Polizeireviers in Frankfurt am Main veröffentlicht.
Für die kommende Sendung am 6. Oktober ist eine Fortsetzung der schmerzhaften Erzählung vorgesehen.

Kurz nach dem ersten Teil der Sendung erreichte BetterPolice eine Nachricht einer hier bekannten Person. Unter Bezugnahme auf die Sendung berichtet sie, dass sie eine ehemalige Kollegin der hessischen Polizei ist und damals aufgrund eigener diskriminierender Erfahrungen gekündigt hat.

Ihren Bericht dürfen wir hier veröffentlichen:

Ich begann 2015 das Studium bei der Polizei in Hessen, da ich einen sozial wertvollen Beruf ausüben wollte. Ich war der Überzeugung, dass Polizist*innen Vorbilder für die Gesellschaft seien und den Menschen in schwierigen Situationen helfen würden. Meine ersten Erfahrungen im Arbeitsleben der Polizei sammelte ich im Wechselschichtdienst. Es waren leider keine guten: Sexismus und Rassismus waren hier quasi an der Tagesordnung. Sprüche wie

»Wann bekommst du endlich Kinder? Ein türkisches Mädchen in deinem Alter hätte schon längst zwei rausgedrückt!«

bekam ich regelmäßig zu hören. Ich verließ nach eineinhalb Jahren die Dienstgruppe, da mich die Situation sehr belastete. Während der Dienstzeit sprach ich unter den Kollegen mehrmals an, dass ich keine sexistischen Sprüche hören möchte, jedoch ohne Erfolg. Kurz nach meinem Wechsel kommunizierte ich meine Beweggründe gegenüber dem stellvertretenden Dienstgruppenleiter in einem Vier-Augen-Gespräch. Ich bat in dem Gespräch, mich über die weiteren Schritte zu informieren. Da ich jedoch keine Informationen erhielt, sprach ich das Thema nochmals an, diesmal bei dem Dienstgruppenleiter. Auch hier wieder in einem Vier-Augen-Gespräch. Auch hier musste ich Eigeninitiative ergreifen, es wurde nicht auf mich zugegangen. Ich äußerte meine Beweggründe und all die Themen, die mich belasteten. Sprüche wie

»Du bist deutsch und blond. Du musst Kinder bekommen, um unser Vaterland zu verteidigen«

oder

» Lass mal X [mich] vergewaltigen.«

All dies teilte ich mit. Ohne Erfolg. Mir wurde geantwortet, dass ich bislang die einzige in der Dienstgruppe sei, die sich beschwert habe. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich nach Verlassen der Dienstgruppe meinen stellvertretenden Dienstgruppenleiter darum bat, dass wenigstens die neue Streifenbeamtin (auch eine junge Direktabgängerin der Polizeihochschule) nicht so behandelt werde, wie ich es wurde. Seine Antwort darauf war leider mit

»Keine Sorge, die Neue wird solche Sprüche nicht hören müssen, dafür ist sie nicht hübsch genug«

sehr ernüchternd…

Ich habe dann 2018 aus den Nachrichten erfahren, dass es mehrere WhatsApp-Gruppen von Polizist*innen gab, in denen u.a. rassistische Symbole ausgetauscht wurden. Dies wunderte mich überhaupt nicht. Mir wurde klar, dass das von mir Erlebte kein Einzelfall darstellte.

Mich belastete die Situation auf der Arbeit stark und ich verließ schließlich das Revier. Auf der neuen Dienststelle war das Arbeitsklima ein anderes und ich fühlte mich deutlich wohler. Dennoch sah ich mich nach anderen Optionen um, da ich nicht mehr so eng mit der Polizei verbunden sein wollte. Ich fühlte mich in einer Organisation gefangen, die sich nicht für das Lösen von Problemen ihrer Mitarbeiter stark macht, im Gegenteil die Probleme lieber unter den Teppich kehrt, anstatt einen offenen Diskurs einzugehen.

Ich absolvierte schließlich eine Aufnahmeprüfung für einen künstlerischen Studiengang und kündigte mein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit.

Ich studiere nun in einem Bachelorstudiengang. Da ich bereits einen Bachelor abgeschlossen habe, bin ich nicht BAföG-berechtigt. Da ich bereits ein Studium abgeschlossen und in diesem Berufsfeld im Anschluss gearbeitet habe, habe ich auch keinen Anspruch auf Geldzahlungen durch meine Eltern für die kommenden Studienjahre.

Ich kommunizierte die oben genannten Kündigungsgründe (Rassismus, Sexismus) mit der hessischen Polizei und bat darum, von den mir auferlegten Rückzahlungen in fünfstelliger Höhe abzusehen bzw. diese unter Miteinbeziehung meiner Kündigungsgründe zu senken. Die Rückzahlungen beziehen sich auf die Ausbildungskosten und werden erst nach vollen fünf abgeleisteten Dienstjahren nach dem Studium erlassen. Gem. § 12 Abs. 2 S. 3 HBesG, können Billigkeitsmaßnahmen in die Entscheidung bzgl. der Rückzahlung einbezogen werden. Es passierte natürlich nichts, die Polizei interessierte sich nicht für die oben angesprochen Themen und veranlasste die volle Rückzahlung.

Transparenzhinweis:
Auf Bitten der Betroffenen wurde der zuerst veröffentlichte Bericht weiter anonymisiert.

Diese Schilderungen sind drastisch und zeigen auf, welchem Druck man unterliegt, wenn man intern auf Fehlverhalten hinweist. Eine solche Meldung erfordert viel Mut und müsste mit Anerkennung und selbstverständlich schneller und vollständiger Abhilfe bei dem gemeldeten Problem einhergehen.
Dass die hessische Polizei – vertreten durch die Vorgesetzten – in diesem Fall nicht nur in einer nicht zu billigenden Weise die Mitarbeiterin nach den verbalen Übergriffen im Stich ließ, ist schlimm genug. Dass mit ihr eine aufrechte und anständige Dienstkraft letztendlich aus dem Job gemobbt wurde, ist ein großer Verlust für die demokratische Entwicklung der Polizei in unserem Land und steht leider symbolisch für viele weitere solcher Vorfälle.
Im hier dargestellten Fall kommt noch hinzu, dass die Behörde, deren Untätigkeit die Biografie der Betroffenen schwer beschädigt hat, sogar eine Rückforderung der Bezüge vornahm und sich unter Hinweis auf die Kündigungsgründe nicht hiervon abbringen ließ.

Katastrophale Fehlerkultur innerhalb der Polizei sowie das Versagen vorgesetzter Stellen beim Schutz von Betroffenen vor Anfeindungen machen es Polizeibediensteten äußerst schwer, gegen solche Strukturen aufzubegehren.

Hilfe kann das Projekt „Mach Meldung!“ bieten, über das wir neulich hier berichtet hatten.

Mach Meldung!

Whistleblowing – Schutz von Hinweisgebenden bei der Polizei

Unter Verweis auf das neue Hinweisgebergesetz haben die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und die Alfred Landecker Foundation das Projekt

Mach Meldung!
Starke Stimmen für die Polizei

initiiert.
Die nun vorhandenen rechtlichen Grundlagen ermöglichen bzw. erleichtern es auch Polizeiangehörigen, geschützter und effizienter auf Fehlverhalten in den eigenen Reihen hinzuweisen!

Informationen zur Kampagne sind hier abrufbar.

BetterPolice in den ARD Tagesthemen

Nachdem trotz weiterhin hoher und erschreckender Fallzahlen das Phänomen „Polizeiliches Fehlverhalten und illegitime Polizeigewalt“ durch die COVID19-Pandemie und stärker noch durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine aus den großen Rundfunkmedien verdrängt wurde, hat Caren Miosga als Anchorwoman der ARD Tagesthemen neulich ein Interview mit unserem Gründer und Sprecher Oliver von Dobrowolski geführt.

​Interview ARD Tagesthemen mit Oliver von Dobrowolski, BetterPolice​

Flankiert wurde damit ein Bericht zu einem Gewaltvorfall in Köln, bei dem ein junger Mann nachweislich von Polizisten misshandelt wurde.

Der Beitrag vom 16. Mai 2023 ist hier einsehbar.

BetterPolice auf dem Journalistentag 2022

JOTAG 2022 in Dortmund

Auf Einladung der Veranstalterin wird unser Sprecher Oliver von Dobrowolski am 19. November 2022 auf dem Journalistentag 2022 sprechen, der in der Sparkassenakademie Nordrhein-Westfalen in Dortmund stattfinden wird.
Mit anderen Referenten diskutiert er im Workshop »Auf der sicheren Seite? Wie Journalist:innen ohne Gefahr berichten können« über Aufgaben und Rechte beider Seiten (Polizei und Journalist:innen) und wie man das teilweise angespannte Verhältnis zueinander verbessern kann.

Ist dies notwendig?
Ja, denn in Zeiten, in denen sich – z.B. bei Großveranstaltungen und Versammlungen – Angriffe auf Medienvertreter:innen häufen, „Medienschutzbereiche“ eingerichtet werden müssen und die ein oder andere Polizeidienstkraft offensichtlichen Nachholbedarf beim Thema Presserecht offenbart, ist dies leider weiterhin verbesserungswürdig.
Die Polizei selbst zeigt sich noch allzu häufig unsensibel für das wichtige Anliegen der freien und geschützten Presseberichterstattung und lässt mitunter den Eindruck aufkommen, unabhängige Berichterstattung sei ihr nicht genehm:

Polizei RLP & Pressefereiheit

Weitere Informationen zur Veranstaltung sind auf der Internetseite des Journalistenverbands enthalten.

Podcast zur besseren Polizei

Im Sommer traf sich unser Sprecher Oliver von Dobrowolski mit dem innenpolitischen Sprecher der grünen Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Vasili Franco, um einen Podcast seiner Reihe »Berlin von Innen« aufzuzeichnen.

Vasili Franco & Oliver von Dobrowolski im AGH BerlinEntstanden sind zwei Episoden, die Vasili wie folgt beschreibt:

»Heute spreche ich mit dem Berliner Polizisten und Gründer der Initiative BetterPolice Oliver von Dobrowolski über die Probleme der Sicherheitsbehörden. In seinem kürzlich veröffentlichten Buch „Ich kämpfe für eine bessere Polizei“ legt Oli den Finger in die Wunde polizeilichen Fehlverhaltens wie Racial Profiling oder mangelnder Fehlerkultur. Wir sprechen auch über Olis Werdegang, wieso er als Polizist überhaupt politisch aktiv wurde und was hat ihn dazu gebracht ein Buch zu schreiben?

Im zweiten Teil meines Gesprächs mit Oli geht es direkt weiter mit der Frage: Gibt es Racial Profiling in der Polizei und wie wirkt Rassismuskritik innerhalb der Polizei? Was sind die nächsten Schritte auf dem Weg zu einer „besseren Polizei“?
Wie schaffen wir mehr Reflexion in den Polizeibehörden? Was sagt Oli zur Berliner Innenpolitik? Das und noch mehr bespreche ich mit dem Polizisten und Aktivisten Oliver von Dobrowolski.«

Die Folgen gibt es kostenfrei auf Spotify zu hören…

Teil 1: 30:58 Min.

Teil 2: 41:58 Min.

Tödliche Polizeischüsse in Dortmund – Ein Interview

Zum Polizeieinsatz in Dortmund, bei dem ein 16-jähriger Geflüchteter zu Tode kam, hat unser Sprecher Oliver von Dobrowolski dem Stern ein ausführliches Interview gegeben.
Hierin äußert er sich nicht nur zum konkreten Einsatz und seiner Bewertung, sondern auch z.B. zur Ausstattung mit Tasern und Bodycams sowie zu unabhängigen Untersuchungs- und Ermittlungsstellen sowie den unsäglichen Debattenbeiträgen von Rainer Wendt und Manuel Ostermann.

Das Interview ist hier aufrufbar. Leider (derzeit) hinter einer Bezahlschranke, die aber durch ein kostenfreies digitales Test-Abo umgangen werden kann.

Stern-Interview mit Oliver von Dobrowolski, BetterPolice

BetterPolice im EU-Parlament

Im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres – LIBE (Commitee on Civil Liberties, Justice and Home Affairs) – des Europäischen Parlaments sprach heute der Gründer und Sprecher von BetterPolice, Oliver von Dobrowolski, zum Thema »Police ethics, the use of force and respect of fundamental rights in law enforcement work, Panel 2: ways to improve awareness, training and supervision«.

LIBE-Ausschuss 12.05.2022

Das Redemanuskript kann hier eingesehen werden.

Tödlicher Polizeieinsatz in Mannheim

Zum tödlich verlaufenden Polizeieinsatz im Mannheim (Hintergrund) erklärt der Gründer und
Sprecher von BetterPolice, Oliver von Dobrowolski:

Der Umgang mit psychisch auffälligen Personen nimmt zunehmend Raum in der Aus- und Fortbildung der Polizei ein, meines Erachtens jedoch noch nicht in zureichendem Maße.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass jährlich weltweit, aber leider auch in Deutschland, viele Tote bei Polizeieinsätzen zu vermeiden wären, wenn geschultes Fachpersonal beigezogen würde, vor allem im Umgang mit Menschen, die psychisch erkrankt sind oder bei denen akute Krankheitsbilder zu einer Eintrübung führen. Bei diesen Menschen ist oft davon auszugehen, dass sie nicht „normal“, also berechenbar auf Ansprache und insbesondere körperliche Kontakte von fremden Menschen reagieren. Dies wird von Polizist:innen meist fehlgedeutet, wodurch es zu einer erhöhten Gewaltanwendung kommt, um die betreffende Person, die sich in der Regel stark wehrt, zu fixieren und zu „sichern“. Die Dynamik solcher Aktionen bedingt dann häufig schlimme Folgen wie einen kollabierten Kreislauf oder den sog. lagebedingten Erstickungstod.
Meine seit langem vorgetragene Forderung lautet daher, Polizeimitarbeitende in Aus- und ständiger Fortbildung besser auf den Umgang mit psychisch auffälligen/kranken Menschen vorzubereiten, sie außerdem besser in eine helfende Lage zu versetzen (erweiterte Erste Hilfe/Ersthelferausbildung) und vor allem, dass staatlich veränderte Infrastrukturen geschaffen werden, um in solchen Einsatzlagen – soweit erkennbar (dürfte in Mannheim so gewesen sein) – nicht in erster Linie Polizist:innen mit Pfefferspray, Schlagstock oder Waffe zu den Menschen zu schicken, sondern eine mobile Notambulanz, die sich fachlich besser um solche Personen kümmern kann. Dazu bedarf es natürlich eines gewissen Dauerdienstes (24/7) und einer entsprechenden Beschickung, also dass Notfallleitstellen bei eingehenden Alarmen nicht (nur) Polizei und Feuerwehr entsenden, sondern eben diese Fachleute.
Ganz konkret zu dem Vorfall in Mannheim kann man nur spekulieren, da die öffentlich vorhandene Videoaufzeichnung freilich nur einen Ausschnitt der Sachlage wiedergibt.
Für die beteiligten Polizist:innen war die Angelegenheit gewiss ebenfalls nicht geplant und gewollt. Soll heißen: möglicherweise gab es ein Fehlverhalten bei der Lageeinschätzung und der Behandlung der Person. Ob dies aber auch fahrlässig und somit vorwerfbar ist, lässt sich per Ferndiagnose kaum einschätzen. Hier kann man nur auf objektive, ergebnisoffene Ermittlungen von Dienstaufsicht und Staatsanwaltschaft hoffen.