BetterPolice auf dem Journalistentag 2022

JOTAG 2022 in Dortmund

Auf Einladung der Veranstalterin wird unser Sprecher Oliver von Dobrowolski am 19. November 2022 auf dem Journalistentag 2022 sprechen, der in der Sparkassenakademie Nordrhein-Westfalen in Dortmund stattfinden wird.
Mit anderen Referenten diskutiert er im Workshop »Auf der sicheren Seite? Wie Journalist:innen ohne Gefahr berichten können« über Aufgaben und Rechte beider Seiten (Polizei und Journalist:innen) und wie man das teilweise angespannte Verhältnis zueinander verbessern kann.

Ist dies notwendig?
Ja, denn in Zeiten, in denen sich – z.B. bei Großveranstaltungen und Versammlungen – Angriffe auf Medienvertreter:innen häufen, „Medienschutzbereiche“ eingerichtet werden müssen und die ein oder andere Polizeidienstkraft offensichtlichen Nachholbedarf beim Thema Presserecht offenbart, ist dies leider weiterhin verbesserungswürdig.
Die Polizei selbst zeigt sich noch allzu häufig unsensibel für das wichtige Anliegen der freien und geschützten Presseberichterstattung und lässt mitunter den Eindruck aufkommen, unabhängige Berichterstattung sei ihr nicht genehm:

Polizei RLP & Pressefereiheit

Weitere Informationen zur Veranstaltung sind auf der Internetseite des Journalistenverbands enthalten.

BetterPolice im EU-Parlament

Im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres – LIBE (Commitee on Civil Liberties, Justice and Home Affairs) – des Europäischen Parlaments sprach heute der Gründer und Sprecher von BetterPolice, Oliver von Dobrowolski, zum Thema »Police ethics, the use of force and respect of fundamental rights in law enforcement work, Panel 2: ways to improve awareness, training and supervision«.

LIBE-Ausschuss 12.05.2022

Das Redemanuskript kann hier eingesehen werden.

Gastbeitrag: Kein Schnack mit Cops – über White Privilege

Vor ein paar Tagen machte ein Aufruf von Ende Gelände die Runde. Es wurde darum gebeten, am Rande von Aktionen/Versammlungen keinen Smalltalk mit Polizist*innen zu halten. Es ging dabei um mehr als die übliche Mahnung zur Vorsicht, denn dieser Aufruf richtet sich primär an nicht rassifizierte Aktivist*innen und plädiert an ihre Rücksichtnahme ggü. Aktivist*innen, die dieses „Privileg“ nicht haben.

Ich kann den Hintergrund des Aufrufs zwar gut nachvollziehen, finde ihn aber dennoch etwas schwierig, nicht nur weil ich zu den Leuten gehöre, die genau das regelmäßig machen (und damit  insgesamt gute Erfahrungen bzgl. der deeskalierenden Wirkung gemacht habe), sondern auch weil ich befürchte, dass ein solcher Aufruf vonseiten der Polizist*innen falsch verstanden wird.

Ich habe ihn also mit zwei (reflektierten, weißen, männlichen) Cops diskutiert. Bzw. es versucht, denn besonders weit kamen wir nicht. Beide taten sich sehr schwer damit, die Motivation hinter diesem Aufruf nachzuvollziehen, sahen das als pauschale Misstrauensbekundung allen Polizist*innen gegenüber und primär die eskalierende Wirkung des sich gegenseitigen, misstrauischen Anschweigens. Auch das kann ich nachvollziehen. Allerdings haben hier drei weiß-deutsch gelesene Menschen diskutiert.

Ich bin mir meiner Privilegien durchaus bewusst. Ich habe zwar persönlich Erfahrungen mit rechtswidriger Polizeigewalt gemacht und bringe insofern ein gewisses „Grundmisstrauen“ mit, aber ich kann dennoch jederzeit in eine Polizeistation gehen, wenn ich ein entsprechendes Anliegen habe, oder die Polizei rufen. Denn ich bin weiß, weiblich und habe einen „deutsch“ klingenden Namen. Ich habe einen sicheren Aufenthaltsstatus und gehöre keiner irgendwie marginalisierten oder diskriminierten Gruppe an. Okay, ich bin links. Aber das steht mir nicht auf der Stirn geschrieben. Es könnte mir also theoretisch egal sein, ob mir ein rassistisch denkender/handelnder Mensch in Uniform gegenüber steht. Das IST ein Privileg, das sehr viele Menschen in diesem Land nicht haben. Denn für einen rassifizierten Menschen macht es sehr wohl einen Unterschied, ob da ein rassistischer Cop kommt oder nicht.

Kaum jemand behauptet ernsthaft, dass alle Polizist*innen Rassist*innen sind, bzw. rassistische Vorurteile haben und  (ggf. auch unbewusst) rassistisch handeln. Aber wir wissen, dass es diese Polizist*innen gibt. Was wir nicht wissen ist, wie viele es tatsächlich sind und ob wir just in diesem Moment einem oder einer gegenüber stehen.

Dieser Aufruf ist also nicht als individuelle Rassismusunterstellung gegenüber allen Polizist*innen zu verstehen, wohl aber als Misstrauensbekundung der Institution Polizei gegenüber, auch der Tatsache geschuldet, dass jede neue rechte Chatgruppe, jeder neu publik gewordene Fall von Racial Profiling oder Polizeigewalt von vielerlei Seiten noch immer als „Einzelfälle“ oder „bad apples“ bezeichnet werden, statt den Ursachen und begünstigenden Rahmenbedingungen dieser Ereignisse auf den Grund zu gehen.

Es geht dabei primär um das Erkennen des eigenen Privilegs, nicht betroffen zu sein.

Der Autorin kann auf Twitter unter @blaulichtzecke gefolgt werden.

Von der Ambivalenz, als Polizist:in Flagge zu zeigen

Zu den gestrigen Aufzügen und Feiern anlässlich des CSD (Christopher Street Day) in Berlin habe ich auf meinen Social-Media-Kanälen „Happy Pride“ gewünscht (Twitter, Instagram).

Ich sehe mich als Straight Ally und freue mich mit der Community. Außerdem beschämt mich der jahrzehntelange, unwürdige Umgang des Staates und der Polizei mit der LSBTIQ*-Community. Es ist für mich daher selbstverständlich, meine Solidarität zum Ausdruck zu bringen.

Happy Pride

Allerdings habe ich ein Déjà-vu erlebt, denn neben einer überragenden Welle positiver Reaktionen erhielt ich wie im Vorjahr auch viele abwehrende und beleidigende Feedbacks aus der Gruppe derer, denen ich alles Gute wünsche.
Vielfach wurde darauf hingewiesen, dass ich als Polizist Teil des Problems sei, dass ich somit den Repressionsapparat direkt unterstütze und dass es keinen Konsenz geben kann.

„Stonewall was a riot“ und „No cops at Pride“ war häufig zu lesen.

Okay, das nehme ich zur Kenntnis. Und ich berichte darüber auch gar nicht, weil mein Ego dadurch einen Kratzer erhält oder weil mich die Abweisung meiner wohlmeinenden Unterstützung kränkt. Vielmehr ist es der Nachweis für gleich mehrere meiner Thesen:
Zum einen darf jede:r über die Polizei denken und sagen, was er will (natürlich, wenn strafrechtliche Grenzen nicht überschritten werden). Die Polizei hingegen darf das nicht, also „mit gleicher Münze zurückzahlen“. Wir müssen das hinnehmen und zudem versuchen, die Kritik zu verstehen, sie einzuordnen und das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen. Und selbst, wenn kein Verständnis aufkommt, muss man die Ablehnung zumindest als objektiven Fakt anerkennen.
Weiterhin zeigt sich, wie wichtig der von mir so betonte Perspektivwechsel ist. Unter allen, die sich über meine Geste empört hatten, war keine:r in der Lage, mich persönlich zu adressieren, um in einen Dialog einzutreten. Und gerade dieses Absolute, dieses Verneinende, führt selten zu etwas Gutem. Es spaltet, fördert Missverständnisse und verschärft den Dissenz. Und wieder: auch wenn ein beidseitiges Aufeinanderzubewegen schön wäre – gefordert ist vor allem der Staat, die Polizei. Denn er/sie wünscht sich das Vertrauen der Menschen, muss sich dieses jedoch verdienen.

Happy Pride

Im Kleinen verkörpert diese Erfahrung also einen Teil des großen Problems: der Weg an den gemeinsamen Tisch, der Respekt für andere Ansichten und der Mut, sich selbst ungeschminkt im Spiegel zu betrachten – all das sind nicht einfache, aber notwendige Schritte hin zu gedeihlichem Zusammenleben. Die Polizei ist gefordert. Meist, aber nicht nur.

Dieser Artikel ist eine persönliche Schilderung von Oliver von Dobrowolski.

Gastbeitrag: Polizeigewalt

Das Thema ist derzeit wieder recht präsent in den (sozialen) Medien, was mich dazu brachte, mich mit meinen eigenen Erfahrungen auseinander zu setzen, das Erlebte aus der Distanz von gut 15-20 Jahren erneut zu bewerten…und es endlich zu dokumentieren.

Ich habe Polizeigewalt am eigenen Leib erfahren, beobachtet und als Sanitäterin die Folgen behandelt. Dennoch fällt es mir schwer, diesen pauschalisierenden Begriff zu verwenden, ohne ihm komplett seine Existenzberechtigung absprechen zu wollen.

Man muss meines Erachtens zwei Ebenen klar trennen: Zum einen ist da die Gewalt, die von einzelnen Polizisten ausgeübt wird, z.T. als Überschreitung dessen, was ihnen an Gewaltanwendung im Rahmen ihrer Amtsausübung gestattet ist, z.T. jedoch auch die geradezu sadistische Brutalität einiger Schläger*innen in Uniform, die nur deshalb nicht als Gewaltstraftäter*innen im Knast sitzen, WEIL sie diese Uniform tragen. Und hier kommen wir zur zweiten, systemischen Ebene, die meines Erachtens das eigentliche Problem darstellt und dem Begriff Polizeigewalt seine Daseinsberechtigung verleiht. Das eigentliche Problem sind nicht einzelne „Prügelbullen“ oder mental für den Beruf eher ungeeignete Berufsanfänger*innen, die sich unter Stress nicht im Griff haben und die Beherrschung verlieren. Das Problem sind Korpsgeist und bewusstes Wegsehen. Und das Fehlen einer tatsächlich neutralen, übergeordneten Ermittlungsinstanz.

Ich möchte hier exemplarisch von einer persönlichen Erfahrung berichten. Das Ganze spielte sich vor etwas über 15a in einer deutschen Großstadt ab. Ich hatte mich, wie viele Male davor und danach, an einer symbolischen Blockade im Namen einer international agierenden Umweltschutzorganisation beteiligt, die nach einiger Zeit geräumt wurde. Zu den unverhandelbaren Grundsätzen dieser NGO gehört bedingungslose Gewaltfreiheit, was den meisten Polizist*innen auch bekannt ist. Auch deshalb laufen derartige Aktionen in aller Regel vergleichsweise friedlich ab, zumindest in Deutschland. Auch werden sie üblicherweise von Medienvertreter*innen begleitet und dokumentiert, was einen ungemein disziplinierenden Effekt hat und zudem im Bedarfsfall Beweismittel liefert.

Nachdem die Aktion (eine Blockade) seit einigen Stunden Bestand hatte, wurde von Seiten der Polizei beschlossen zu räumen. Ich saß ziemlich am Rand zwischen einem Bauzaun und einem dort abgestellten PKW, hielt mich locker im Radkasten und am Zaun fest. Es war kalt, ich trug Halbfingerhandschuhe und hatte aufgrund der Kälte kaum noch Gefühl in den Fingern. Da ich an dieser Stelle alleine saß und insofern „leicht“ zu räumen war, wurde ich mit als erste geräumt. 4 Polizist*innen, die im Vorfeld bereits unsere Personalien kontrolliert und normal mit uns geredet hatten, kamen auf mich zu, forderten mich 3x auf, mich zu entfernen, was ich höflich aber bestimmt abgelehnt habe. Daraufhin bogen mir zwei Polizist*innen die Finger auf, um mich von Bauzaun und Auto zu trennen, wobei beide nicht mehr Kraft als erforderlich aufwandten (soweit alles korrekt) und schleppten mich (ich verhielt mich völlig passiv) zu dritt in Richtung ihrer Fahrzeuge. Soweit eine völlig normale, friedliche Räumung. Nach einigen Metern jedoch hörte ich, wie einige Mitaktivist*innen laut und in besorgtem Tonfall meinen Namen quer über den Aktionsort riefen und wissen wollten, was passiert sei, ich würde bluten. Erst da bemerkten sowohl ich als auch die Cops, dass ich tatsächlich eine relativ stark blutende Verletzung an der Hand hatte. Unter den Polizist*innen brach Hektik aus, besonders bei der Beamtin, die meine Hand aus dem Radkasten gezogen hatte, wobei es zu einer großflächigen Ablederung gekommen war (die ich aufgrund der Kälte zunächst gar nicht gespürt hatte). Die Cops brachten mich zu ihren Fahrzeugen, versuchten sich als Ersthelfer*innen und waren sichtlich erleichtert, als ihnen klar wurde, dass ich das als Unfall wertete und niemandem einen Vorwurf machte. Aber natürlich hatten sie ihrer Einsatzleitung gemeldet, dass jemand im Rahmen der Maßnahme verletzt worden war. Dann tauchte plötzlich ein Vorgesetzter auf: „Wo ist die verletzte Person? Die kommt einmal mit!“ Ich wurde mit meinem Verband an der Hand zu einem Gefangenentransporter gebracht und bekam Handschellen angelegt. Meine Frage, ob das jetzt nicht doch ein wenig übertrieben sei, wurde mit einem knappen „Sorry, Vorschrift“ beantwortet – na gut, ich diskutiere nicht mit Beamt*innen über die Sinnhaftigkeit von Vorschriften.

Die Fahrt ging direkt ins Präsidium. Dort wurde ich (in Handschellen) zunächst einmal komplett durchsucht, mir wurden Gürtel und Schnürsenkel abgenommen (echt blöd, wenn man eine ziemlich weite Cargohose und bis ganz zur Spitze geschnürte Bergstiefel trägt) und ich wurde offen angefeindet, was ich zu diesem Zeitpunkt nicht nachvollziehen konnte. Danach brachte man mich in eine Sammelzelle, wo ich zum ersten mal die Handschellen wieder los wurde. Ich war zu diesem Zeitpunkt noch ziemlich entspannt, auch wenn ich den Aufriss in Relation zu unserer Aktion ziemlich übertrieben, und die Tatsache, dass mir eine professionelle Versorgung der verunreinigten Wunde trotz mehrfacher Nachfrage verweigert wurde, etwas befremdlich fand.

Danach saß ich einige Stunden in der sich zunehmend füllenden Zelle und wunderte mich, was der Mist sollte. Üblich sind bei solchen Aktionen eine Personalienaufnahme, ein Platzverweis, die Konfiszierung der Aktionsmittel und ein paar Wochen später Post von der Staatsanwaltschaft.

Irgendwann tauchten 2 Cops an der Zellentür auf: „Gefangene Soundso? Vortreten!“ Ich trat vor. „Hände vor!“ Ich verkniff mir die Frage nach der Notwendigkeit…

Auf dem Weg durchs Gebäude kamen wir an Toiletten vorbei und ich bat die beiden (männlichen) Cops, zur Toilette gehen zu dürfen. Sie schienen etwas genervt zu sein, billigten es mir jedoch zu. Meine Bitte, mir dafür die Handschellen abzunehmen, wurde vehement abgelehnt. Zudem bestanden sie darauf, dass ich Tür der Toilettenkabine nicht nur nicht verriegelte, sondern offen stehen ließ und blieben unmittelbar davor stehen. Danach ging es zur Vernehmung, in ein ziemlich düsteres, altbacken eingerichtetes Büro, wo man mich mitsamt meiner Handschellen recht unsanft auf einem Stuhl platzierte. Ein älterer Polizist in Zivil betrat den Raum, knallte ein paar Papiere auf den Schreibtisch und fing sofort an, mich anzubrüllen: „HABEN SIE IRGEND ETWAS ZU IHRER VERTEIDIGUNG VORZUBRINGEN?!“ Ich war etwas perplex aber auch zunehmend sauer und fragte ihn mühsam beherrscht, ob er mir nicht vielleicht erstmal sagen könne, was mir eigentlich vorgeworfen würde. „DAS ERDREISTEN SIE SICH NOCH ZU FRAGEN?! SIE…SIE…SIE HABEN WIDERSTAND GELEISTET!!“ „Bitte was soll ich gemacht haben?!“ Da fiel mein Blick auf den Verband und ich verstand den Zusammenhang, den ich bis zu diesem Zeitpunkt für maßlos übertriebene, einseitige Berichterstattung gehalten hatte. Entgegen meiner sonstigen Gepflogenheiten in einer polizeilichen Vernehmung nichts zur Sache zu sagen, platzte mir der Kragen und ich zischte ihn in ausgesucht höflicher Wortwahl und sehr scharfem Tonfall an, dass die Verletzung Folge eines Unfalls und dies seinen Kolleg*innen vor Ort auch bewusst sei. Im Übrigen sei es unzumutbar, dass mir die medizinische Versorgung verweigert würde und ich wünsche, meinen Anwalt zu sprechen. Er versuchte, mich einzuschüchtern, sagte ‚aus der Nummer käme ich nicht mehr raus, ich würde von meinem hohen Ross schon noch runter kommen, diesmal hätte man mich am Arsch‘. Ich sagte nichts mehr, außer meinen Angaben zur Person, 5 oder 6 mal, bis er pöbelnd aufgab und mich abführen ließ. Wie in einem schlechten Film.

Nach mehrfacher Nachfrage räumte man mir die Möglichkeit ein, meinen Anwalt anzurufen. Ich hatte die Nummer im Kopf, kam aber nicht durch. Mein Anwalt saß in einer anderen Stadt, man hatte mir jedoch ein Telefon gegeben, von dem aus nur Ortsgespräche geführt werden konnten. Ich bekam das örtliche Telefonbuch auf den Tisch geknallt, ich solle mir halt einen aussuchen…ich verzichtete. Meine bei der Gelegenheit erneut vorgebrachte Bitte um medizinische Versorgung wurde lediglich mit einem Schulterzucken und einem barschen „Selber schuld“ quittiert.

Danach verbrachte ich erneut mehere Stunden in der zwischenzeitlich wieder leeren Zelle. Irgendwann flog die Tür wieder auf: „Gefangene Soundso…“ . Ich kannte das Spielchen ja zwischenzeitlich, stand auf, stellte mich in ausreichendem Abstand vor die beiden Cops und hielt unaufgefordert meine Hände vor, um mir Handschellen anlegen zu lassen. „UMDREHEN!“ Ich schaute den Wortführer etwas ungläubig an und fragte mich, ob er das ernst meinte. Der Schlag gegen meine Schulter reichte, um mich herum wirbeln zu lassen und klärte meine Frage abschließend. Also hatte ich nun offene, kaum an den Füssen bleibende Schuhe, eine auf halb Acht hängende Hose, einen sich zunehmend auflösenden Verband an der Hand und die Hände auf dem Rücken gefesselt. Haltung bewahren, keine Schwäche zeigen…nichts leichter als das…

Die Beiden nahmen mich in ihre Mitte und gingen sehr zügigen Schrittes durchs Gebäude, wobei mich einer der beiden mehrfach anherrschte, ich solle schneller gehen. Ich verkniff mir jeden Kommentar. Wir kamen um eine Ecke und standen vor einer ziemlich steilen (Keller?-)Treppe, ohne Fenster, mit einem Handlauf links. Am Fuße der Treppe waren vielleicht noch 1,5 m Platz bis zu einer Wand. Der Wortführer packte mich recht unsanft am Oberarm, schob mich in Richtung der Treppe und bedeutete mir mit einer Kopfbewegung, ich solle da jetzt runter. Beide Cops blieben hinter mir stehen, keiner ging vor, um mich mit meinen offenen Schuhen und ohne die Möglichkeit, mich festzuhalten, abzusichern.

In diesem Moment bekam ich wirklich Angst. Ich redete mir auf jeder Stufe ein, es würde nichts passieren, ich würde mich verrückt machen, wir waren schließlich in Deutschland, im 21. Jahrhundert, nicht in einem schlechten Film. Trotzdem beeilte ich mich, die Treppe hinunter zu steigen und korrigierte auf jeder Stufe meinen Stand im Schuh, versuchte fieberhaft abzuschätzen, ab welcher Höhe ich unter diesen Bedingungen wohl einigermaßen sicher abspringen könnte.

Der Stoß kam auf der 4. oder 5. Stufe von unten, vom Wortführer. Ich konnte abspringen, irgendwie auf meinen Füßen landen und mich noch halb zur Seite drehen, so dass ich den Aufprall an der Wand im Wesentlichen mit der Schulter anfangen konnte. Abgesehen von ein paar Hämatomen im Gesicht und an der Schulter wurde ich nicht weiter verletzt – weil ich damit gerechnet hatte. Ich drehte mich mühsam beherrscht zu den beiden Cops um, die nach wie vor auf der Treppe standen. Der Wortführer grinste mich hämisch an und sagte extrem laut (dafür, dass wir nur zu dritt auf der Treppe waren): „Hoppla, junge Frau, nicht stolpern…“

Ich denke, dass er mich tatsächlich weniger ernsthaft verletzen, als vielmehr eine echte Widerstandshandlung oder doch zumindest eine Beleidigung provozieren wollte. Es gelang ihm nicht. Ich stand einfach nur da und starrte ihn an. Er machte eine Bewegung in meine Richtung, in diesem Moment hob sein Kollege, der bis dahin nichts gesagt oder getan hatte, nur einmal kurz die Hand…mehr passierte nicht.

Sie brachten mich dann zum unmittelbar angrenzenden Erkennungsdienst – was wohl auch der Grund dafür war, weshalb der Wortführer auf der Treppe so laut gesprochen hatte. Er brauchte Zeug*innen.

Nachdem ich (von einem professionell korrekten) Beamten erkennungsdienstlich behandelt worden war, brachten mich zwei andere Cops zurück in die Zelle. Wieder mit Handschellen, allerdings vor dem Körper, in meiner Bekleidungssituation angemessener Geschwindigkeit, und einer der beiden sicherte mich sogar auf der Treppe.

Nach etwa einer weiteren Stunde wurde ich (natürlich in Handschellen) aus der Zelle geholt, zum Empfang gebracht, bekam meine Privatgegenstände ausgehändigt und wurde kommentarlos entlassen. In der ganzen Zeit war weder meine Verletzung versorgt worden, noch hatte ich Kontakt zu meinem Anwalt.

Einige Wochen später bekam ich Post von der Staatsanwaltschaft, ein Strafbefehl wegen der im Rahmen der Aktion begangenen Straftaten, der später gegen Auflage eingestellt wurde. Der ursprüngliche Tatvorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wurde darin nicht einmal mehr erwähnt…naja, es gab ein Pressevideo, welches, wie mir erzählt wurde, im Rahmen der Berichterstattung über die Aktion im Fernsehen lief. Im polizeieigenen System stand der Vorwurf allerdings 10 Jahre lang. 10 Jahre, in denen so manche 08/15 Kontrolle damit endete, dass die ursprünglich freundlichen Cops plötzlich sehr schmallippig wurden und die Hand an der Waffe hatten.

 Ich habe mich mit der Wertung dieser Erfahrung lange schwer getan, es lange nur wenigen Vertrauten erzählt, nicht zuletzt weil ich dachte: `Das klingt so unglaublich, das nimmt dir niemand ab.` Wie ein schlechter Film eben. Selbst meinem Anwalt habe ich erst mit etwas Verzögerung davon berichtet. Er riet mir von einer Anzeige ab. Ich habe den „Wortführer“ nicht angezeigt und bin mir bis heute nicht sicher, ob das die richtige Entscheidung war. Es gab keine Zeug*innen, und der zweite Cop hätte meiner Einschätzung zufolge nicht gegen seinen Kollegen ausgesagt, sonst hätte er viel früher interveniert.

Ich war damals schon weltanschaulich leidlich gefestigt, hatte mich „gut im Griff“ und konnte zwischen der Uniform an sich und dem individuellen Arschloch in der Uniform differenzieren. Trotzdem hat mich dieses Erlebnis geprägt. Es hat keinen Hass in mir ausgelöst, wohl aber ein tief sitzendes Misstrauen.

Es war beileibe nicht das einzige Mal, dass ich mit polizeilicher Gewalt konfrontiert wurde, ich habe mir auf Demos und Aktionen durchaus den ein oder anderen Schlagstockhieb, Tritt oder Faustschlag eingefangen. Allerdings waren das stets Situationen, in denen man zumindest theoretisch einen Exzess oder Kontrollverlust im „Eifer des Gefechts“ unterstellen könnte, weshalb ich persönlich solche Situationen als weniger gravierend einstufe. Das oben beschriebene Ereignis hingegen sticht durch seinen eindeutig kriminellen Charakter hervor.

Meine Haltung der Institution Polizei gegenüber hat sich dadurch gewandelt. Dass es immer und überall „schwarze Schafe“ gibt, war mir natürlich klar, aber ich hatte, auch als Aktivistin und damit naturgemäß häufiger in Situationen, in denen ein Interessenskonflikt bestand, dennoch ein Grundvertrauen darin, dass Polizist*innen ihren Job korrekt machen. Danach hatte ich verstanden, dass darauf zumindest kein Verlass ist. Nicht der Schläger selbst hat mir das Vertrauen in die Polizei buchstäblich „ausgeprügelt“, sondern die anderen, die nicht eingegriffen haben.

(Die Autorin ist bekannt)

Gastbeitrag: Mit offenem Visier

Weshalb ich mich für die Entkriminalisierung (mindestens) bzw. die Relegalisierung (besser) von Vermummung im Versammlungskontext einsetze – theoretisch und praktisch.

Das Vermummungsverbot wurde in Deutschland den 80ern eingeführt, als ich in den 90ern anfing, mich aktivistisch zu betätigen, war es also noch eine relativ „neue Erfindung“. Das Narrativ der bitterbösen, schwarzvermummten Gewalttäter:innen saß jedoch schon ziemlich fest in den Köpfen, auch vieler Versammlungsteilnehmer:innen. Ich wurde als Aktivistin ( genau wie viele Polizist:innen ) mit der Idee sozialisiert, dass „Vermummte“ Gefahr bedeuteten, sich ausschließlich vermummten, um unerkannt ( weitere ) Straftaten begehen zu können, dass es „böse“ vermummte und „gute“ Demonstrant:innen gäbe, die im Gegensatz zu Ersteren „Gesicht zeigten“, zu ihren Überzeugungen stünden. Das habe ich viele Jahre lang selbst so gesehen und praktiziert.

Ich hätte über das „weitere“ stolpern müssen.

In den meisten deutschen Bundesländern ist es eine Straftat, sich bei Versammlungen zu vermummen, in wenigen „nur“ eine (ziemlich kostspielige) Ordnungswidrigkeit, selbst das Mitführen von theoretisch zur Vermummung geeigneten Kleidungsstücken kann fast überall teuer werden, selbst wenn man sie nicht anlegt.

Das erste Mal ins Grübeln kam ich bei einer Demo außerhalb Deutschlands, in einem Land, in dem es seinerzeit kein Vermummungsverbot gab. Weit über die Hälfte der Teilnehmenden machte davon Gebrauch – aber es passierte nicht mehr, als es auf derartigem Demonstrationen üblich ist. Ich unterhielt mich mit einigen Leuten über ihre Motivation, und die war so banal wie logisch. „Es geht niemandem etwas an, an welchen Demonstrationen ich mich beteilige.“

Daran gibt es absolut nichts zu rütteln, wofür oder wogegen ich auf die Straße gehe, hat staatliche Stellen nicht zu interessieren, zumindest solange ich dabei keine >weiteren< Straftaten begehe.

Menschen haben, z.T. sehr „gute“, z.T. für Nichtaktive nicht nachvollziehbare Gründe, sich (nur) anonym an politischen Versammlungen zu beteiligen. Bei manchen stehen berufliche Gründe im Vordergrund, bei anderem die Befürchtung, vom politischen Gegner identifiziert zu werden und dadurch gefährdet zu sein. Das mag auf manche paranoid wirken, aber ist es das wirklich? Dass Menschen, die sich z.B. antifaschistisch, antirassistisch oder in der Geflüchtetenhilfe engagieren auf Listen landen, ausgekundschaftet, bedroht oder angegriffen werden, kommt immer wieder vor. Auch ich möchte nicht von Nazis fotografiert werden.

In den letzten Jahren kam ein weiterer Aspekt verstärkt zum Tragen: illegale Datenabfragen durch Polizist:innen und die Weitergabe an Dritte. Vor dem Hintergrund immer neuer derartiger Meldungen und häufig nicht restlos aufgeklärter Fälle legen viele politisch aktive Menschen Wert darauf, nicht nur nicht vom politischen Gegner ausgekundschaftet zu werden, sondern die Art ihrer politischen Betätigung möglichst auch den Sicherheitsbehörden gegenüber nicht offenzulegen. Das mag traurig sein und einer Demokratie unwürdig, ist jedoch die logische Konsequenz der vorgenannten Ereignisse.

Der Tatsache, dass viele Menschen z.B. durch das Abfilmen einer Demonstration verunsichert sind, ggf. eine Teilnahme nicht wagen, trägt man zwischenzeitlich Rechnung: das grund-/anlasslose Filmen oder Fotografieren von Versammlungsteilnehmer:innen ist nicht zulässig. Selbst Überwachungskameras im öffentlichen Raum müssen häufig deaktiviert, wenn nicht gar demontiert werden. Hier erkennt man den Wunsch nach Anonymität an, wenn auch meist widerwillig. Das Festhalten am Vermummungsverbot steht dazu im Widerspruch.

Nachdem es außer dem illegitimen Motiv, unerkannt Straftaten im Versammlungskontext begehen zu können, offensichtlich auch eine ganze Reihe durchaus legitimer Gründe gibt, was bedeutet es für Versammlungsteilnehmer:innen in der Praxis, sich zu vermummen?

In erster Linie ein Risiko, sowohl persönlich (in Form einer Strafandrohung), als auch für die gesamte Versammlung. Strenggenommen ist die Polizei überall dort, wo Vermummung eine Straftat ist, zum Eingreifen verpflichtet, auch wenn aus taktischen Gründen manchmal (zunächst) davon abgesehen wird. Ein eindrucksvolles, bekanntes Beispiel ist die sog „W2H“ Demo anlässlich des G20 Gipfels 2017 in Hamburg. Sie wurde unter massivem Gewalteinsatz aufgelöst, nachdem eine größere Zahl Teilnehmender nicht auf Vermummung verzichten wollte, eskalierte in der Folge völlig und gipfelte in einer der brutalsten Straßenschlachten der jüngeren Geschichte. Wie die Demonstration verlaufen wäre, wenn man sie trotz Vermummung hätte laufen lassen (können?), bleibt spekulativ. Wo Vermummung nur eine Ordnungswidrigkeit ist, entfällt die Pflicht zu intervenieren, die Polizei kann, muss aber nicht, hat damit de facto mehr Spielraum und die Wahrscheinlichkeit eines insgesamt friedlicheren Verlaufs steigt sogar.

Dass Menschen diese Risiken bewusst in Kauf nehmen, sollte einem zu denken geben.

Nicht allen geht es (ausschließlich) um Persönlichkeitsschutz. Leute, die die Gelegenheit ausnutzen, unerkannt in der Menge untertauchen zu können und aus diesem Schutz heraus gewaltsam agieren, gibt es unbestritten, und ihrer habhaft zu werden, würde zweifellos schwieriger, sollte das Vermummungsverbot fallen. Allerdings hat just die Ausnahmesituation der Corona-Pandemie bewiesen, dass Menschen durchaus „maskiert“ demonstrieren können, ohne gewalttätig zu sein.

Man wird einen Kompromiss finden müssen zwischen dem berechtigten Interesse derer, die ihre Identität schützen und trotzdem von ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machen wollen und dem ebenfalls berechtigten Interesse, Gewalttäter:innen dingfest zu machen. Erstere zu kriminalisieren ist offensichtlich keine Lösung. Eine bundesweite Herabstufung zur (bezahlbaren) Ordnungswidrigkeit wäre zumindest ein erster Schritt, den man auch als „Testphase“ nutzen könnte.

Ich selbst bin vor einiger Zeit dazu übergegangen, immer entsprechendes Equipment mitzuführen und es manchmal auch zu tragen, mal zu meinem persönlichen Schutz, mal aus Solidarität. Ich „kämpfe“ also mal mit offenem Visier und mal mit geschlossenem. Ob und wann möchte ich selbst entscheiden dürfen.

Der Autorin kann auf Twitter unter @blaulichtzecke gefolgt werden.

Polizei und die LGBTIQ*-Community

Missverständnisse im polizeilichen Alltag kommen häufig vor. Problematisch ist das, wenn die Ursachen hierfür eigentlich längst ausgeräumt sein könnten.
Das betrifft neben dem Umgang mit marginalisierten Gruppen auch oft Interaktionen mit bestimmten Communities.

Queere Menschen aus der LGTBIQ*-Community haben zu oft noch ein gespaltenes Verhältnis zur Institution Polizei. Dies rührt natürlich aus der deutschen Rechtsgeschichte her, da insbesondere homosexuelle Handlungen kriminalisiert wurden, queere Menschen während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft verfolgt wurden und auch im Nachkriegsdeutschland Jahrzehnte vergehen mussten, bis der Staat nicht mehr mit polizeilichen Mitteln gegen sie vorging. Beidseitig wurden Feindbilder aufgebaut, deren Abbau noch bei weitem nicht abgeschlossen ist. Die noch defizitäre Rechtsstellung (z.B. im Adoptionsrecht, bei Blutspenden u.w.) sowie moralisch überkommene Haltungen wie z.B. bei vielen religiösen Strömungen tun ihr übriges.

Doch was tun für die Verbesserung des Verhältnisses zwischen Polizei und LGTIQ*-Community und wie stärken wir die vielen Kolleg:innen, die sich selbst in ihr verorten und dadurch auch im 21. Jahrhundert noch angefeindet und Ziel hämischer Witze und von Ausgrenzungen werden?

In den Polizeibehörden in Deutschland wurden in den letzten Jahrzehnten Stellen eingerichtet, an denen geschulte Ansprechpersonen für LGBTIQ*-Belange für die Verbesserung der Beziehungen Polizei <-> Community einerseits und für die Beschäftigten andererseits einstehen. Beispielhaft kann hier auf die Ansprechstelle der Polizei Berlin verwiesen werden, die als deutschlandweiter Vorreiter bereits seit Jahrzehnten Expert:innen im Hauptamt beschäftigt. In der Hauptstadt gibt es auch analog bei der Staatsanwaltschaft „Ansprechpersonen für LSBTI„.

Für die vielen queeren Beschäftigten in der deutschen Polizei gibt es Vereinigungen wie VelsPol, im europäischen Kontext auch die European LGBT Police Association (vormals EGPA).

Hervorheben möchte ich auch das Engagement meines Kollegen Wolfgang Appenzeller, der bei der Bundespolizei beschäftigt ist und auf seinem Blog sowie in den sozialen Netzwerken als GayGermanCop Zehntausende erreicht und hierfür auch in Uniform einsteht.

GayGermanCop

Wer sich unsicher ist im Umgang mit den Bezeichnungen oder anderen Dingen in diesem Kontext, dem sei empfohlen: Ask a (gay) cop!
Ansonsten kann man sich dem Thema auch z.B. über das Queer-Lexikon des Tagesspiegels nähern oder man schaut mal bei Netzangeboten wie der Siegessäule, dem L-Mag oder der Mannschaft vorbei.

Gastbeitrag: Polizei und Rettungsdienst – Zwei Fraktionen einer „Blaulichtfamilie“?

Trotz großer Unterschiede hinsichtlich der Aufgaben, Rechte und Strukturen werden Einsatzkräfte unterschiedlicher Dienste gerne in einem Atemzug genannt, in den Medien, der Politik, manchmal sind sie es auch in der eigenen Wahrnehmung. Das ist auch nicht völlig falsch: BOS – Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben – kurz: die Blaulichter.

Es gibt durchaus eine Reihe Gemeinsamkeiten, Schnittmengen, Parallelen – aber auch gravierende Unterschiede, im positiven wie im negativen Sinne.

Die Motive der Berufswahl dürften vielfach ähnlich gelagert sein: Ein abwechslungsreicher Beruf nah am Menschen, der Anspruch zu „helfen“, „Gutes zu tun“, bei manchen bestimmt auch ein bisschen Abenteuerlust, so ehrlich sollte man sein.

Auch das berufliche Erleben unterscheidet sich von vielen anderen Berufsfeldern, man kommt unweigerlich in die privatesten Bereiche der Menschen, in Situationen, die für einen selbst „Routine“, für diese Menschen jedoch z.T. emotional hochaufgeladene Not- oder Ausnahmesituationen sind – und muss den daran geknüpften Erwartungshaltungen gerecht werden, was natürlich nicht immer möglich ist.

Hinzu kommt, dass man der Schweigepflicht unterliegt, das z.T. extreme Erlebte mit niemandem außerhalb besprechen kann oder darf.

Neben diesen Gemeinsamkeiten gibt es jedoch auch erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Aufgabenbereiche, der Perspektive und der Interaktion mit den Menschen.

An dieser Stelle ein kleiner Exkurs zur Struktur des Rettungsdienstes. „Den“ Rettungsdienst gibt es genauso wenig wie „die“ Polizei, im Gegenteil, er ist sogar noch viel kleinteiliger organisiert. Zunächst: die „Hierarchien“ sind flacher, es gibt eigentlich nur 3 nichtärztliche Qualifikationen im Regelrettungsdienst: Notfallsanitäter*innen, (noch) Rettungsassistent*innen und Rettungssanitäter*innen, sowie Auszubildendende. Jedes Bundesland hat sein eigenes Landesrettungsdienstgesetz, Träger des Rettungsdienstes ist der Landkreis oder die Stadt, die Durchführung kann delegiert werden. Wenn man die 112 wählt, können einem also sowohl verbeamtete Berufsfeuerwehrleute, Angestellte im Öffentlichen Dienst, Angestellte von Hilfsorganisationen sowie z.T. sehr prekär Beschäftigte privater Unternehmen gegenüber stehen, die je nach Landkreis/Stadt trotz weitgehend einheitlicher Ausbildung anderen Vorgaben unterliegen. Es ist…kompliziert und trotz dahingehender Bemühungen weit von einheitlichen Standards entfernt.

In der Interaktion sowohl mit Patient*innen, Angehörigen oder auch der Polizei am Einsatzort macht das kaum einen Unterschied, wohl aber bezüglich der Zufriedenheit und Motivation der Einsatzkräfte.

Von außen betrachtet wirkt das Handeln unterschiedlicher Einsatzkräfte bei gemeinsamen Einsätzen meist kollegial,  was auch weitgehend zutrifft, man deckt unterschiedliche Teilbereiche derselben Gesamtaufgabe ab, kommuniziert dabei auf Augenhöhe und unterstützt sich gegenseitig. Diese „Nähe“, schon dadurch ersichtlich, dass man sich üblicherweise duzt, auch ohne sich persönlich zu kennen, erleichtert einen koordinierten, reibungslosen Einsatzablauf, birgt aber auch Stolperfallen. Denn während wir Rettungskräfte z.B. bei einem Unfallgeschehen darauf angewiesen sind, dass die Leute uns wirklich die ganze Wahrheit erzählen ( wie schnell sie gefahren sind, ob sie angeschnallt waren, was die intus haben, ob sie übermüdet sind, etc. ), um die Schwere der Verletzungen einigermaßen einschätzen zu können, haben sie das Recht, sich diesbezüglich ggü der Polizei nicht zu äußern.

Bei Einsätzen, zu denen man nicht unabhängig voneinander beordert wird, sondern sich gegenseitig nachfordert, kann die grundsätzlich gute Zusammenarbeit ebenfalls zum Problem werden, denn sowohl durch die Art der Nachforderung als auch durch die initiale Übergabe schafft man eine Art Voreingenommenheit. Man „spielt im selben Team“, was meiner Erfahrung zufolge insbesondere bei zwei rettungsdienstlichen Einsatzszenarien zum Problem werden kann: Menschen in ( wodurch auch immer ausgelösten ) psychischen Ausnahmesituationen und Versorgungen nach polizeilicher Gewaltanwendung.

Selten werden die Unterschiede in Perspektive und Herangehensweise offensichtlicher als bei Menschen in psychischen Ausnahmesituationen, das fängt bereits bei der Bezeichnung an, Patient*in vs Störer*in. Dieser Unterschied ergibt sich logisch aus der unterschiedlichen Aufgabenstellung, determiniert aber häufig das weitere Vorgehen. Während Rettungsdienstmitarbeiter*innen den Schwerpunkt auf die Gefährdung des/der Patient*in legen, sehen Polizist*innen primär die von ihnen ausgehende Gefahr für andere. Beides hat seine Berechtigung, ist bedingt durch Ausbildung, Aufgabenstellung und Erfahrung…aber bietet nicht immer eine Ideallösung, gerade im Umgang mit Menschen, die ( vermeintlich ) irrational handeln. Hier die nötige Balance zu finden, gestaltet sich manchmal schwierig, in manchen Fällen löst das bloße Auftreten mancher Polizist*innen bereits genau die Eskalation aus, die man eigentlich verhindern wollte.

Ein weiterer Punkt, an dem die Gleichsetzung unterschiedlicher Einsatzkräfte in die Irre führt, ist in den Medien gewissermaßen dauerpräsent und hoch aufgeladen: Übergriffe.

Sowohl Polizist*innen als auch Rettungskräfte kommen in Konfliktsituationen und werden zum Ziel verbaler wie physischer Übergriffe, allerdings stellt der gern verwendete Begriff „Gewalt gegen Einsatzkräfte“ eine aus meiner Sicht verzerrende und unzulässige Verallgemeinerung dar.

Während ( auch ) physische Auseinandersetzungen in gewisser Hinsicht zum Berufsbild und „Handwerkszeug“ von Polizeibeamt*innen gehören, haben Übergriffe auf Rettungsdienstpersonal häufig andere Ursachen, sind überwiegend im jeweiligen Krankheitsbild bzw. Zustand begründet, z.B. den oben bereits erwähnten psychischen Erkrankungen oder Ausnahmesituationen, Rauschzuständen aller Art, Entzugssyndromen oder simplen Stoffwechselentgleisungen. Das macht sie zwar nicht „ungefährlicher“, sie bedürfen allerdings einer differenzierten Betrachtungsweise und eignen sich nicht zur populistischen Meinungsmache.

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass Einsatzkraft nicht gleich Einsatzkraft ist. Das in der Regel gute, kollegiale Verhältnis untereinander erleichtert und ermöglicht Vieles, hat aber auch Tücken. Sich darüber sowie über die unterschiedlichen Perspektiven im Klaren zu sein und sie wechselseitig zu respektieren, ist gerade auch für Einsatzkräfte selbst wichtig.

Manchmal ein bisschen mehr Verständnis für die Spannungsfelder, die es trotz aller Kollegialität gibt und geben muss – das würde ich mir von allen Beteiligten wünschen.

(Autor:in ist uns bekannt)

Gastbeitrag: Rassismus oder mangelnde Ausbildung?

Wenn man sich über Polizei-Gewalt, Rassismus und Probleme zwischen Bevölkerung und der Polizei aufregt, dann sollte man sich erst einmal informieren, ob da nicht mehr dahintersteckt. Es ist so einfach die Menschen anzuklagen ohne die Problemursache (Root Cause) zu hinterfragen.

Wir alle machen jeden Tag, mit jedem Menschen den wir treffen, unbewusste Annahmen über diese Menschen. Wir interpretieren deren Aussehen, Körpersprache, Worte und liegen damit oft falsch, was die vielen Streitereien, Missverständnisse und verletzten Gefühle in all unser Leben beweisen.

Wer sich mit diesem Thema mehr auseinandersetzen will, sollte das Buch “Blink! – Die Macht des Moments” von Malcolm Gladwell lesen, wo er sehr viele unterschiedliche Beispiele verwendet um zu erklären, wie wir alle Moment-Annahmen treffen und deren Konsequenzen. Er verwendet Beispiele aus allen Sparten wie Musik, Kunst, Militär, Polizei, Medizin, Verkauf und mehr, wo uns erklärt wird, warum unser Unterbewusstsein uns falsch oder auch richtig informiert. Er bestätigt aber auch mit vielen Beispielen von Studien, dass wir unserem Unterbewusstsein nicht einfach nur so ausgesetzt sind! Wir können unser Unterbewusstsein schulen und trainieren und verbessern um somit bessere Bauchentscheidungen treffen zu können.

Unsere Umwelt, Eltern, Kultur und Erfahrungen prägen unser Unterbewusstsein und programmieren uns mit vorgefertigten Meinungen über Fremde und anders aussehende Menschen. Dieses kann mit einem Implizierten Assoziationstest (IAT) getestet werden. Leider hat man festgestellt, dass wir Menschen, auch wenn wir es nicht wollen oder wahrhaben wollen rassistische Tendenzen in unserem Unterbewusstsein tragen – WIR ALLE. Nur durch bewusste Schulung unseres Unterbewusstseins, kann der IAT Verbesserungen aufweisen, also eine Verbesserung unseres „Rassismus“.

IAT–Testverbesserung – Verbesserung unserer eigenen unbewussten Meinung über Menschen anderer Herkunft und Kulturen durch:

Polizei/private Menschen – Teilen von positiven Beiträgen von Menschen anderer Herkunft z.B. Sprüche mit Namen und Fotos des Autors, positive Informationen (Artikel, Videos, Ted Talks, Social Media Beiträge, usw.) von Weltpolitik & Ansätze mit Namen und Fotos, Trainer und Lehrer anderer Rassen bei der Polizei-/Ausbildung, Treffen mit positiven Einflussnehmern aus anderen Kulturen und Meinungsvertretern, Zusammenarbeit von Polizei mit Jugendlichen und Kindern von Migranten, Freiwilligenarbeit in unterprivilegierten Vierteln und vieles mehr

Schulbehörden – positive Bücher/Filme/Vorträge/Soziale-Median von imposanten Menschen anderer Kulturen und Rassen und alles was schon erwähnt wurde

Verbesserung des „Gedankenlesens“ – Verbesserung die Intentionen von unbekannten Menschen in kürzesten Augenblick zu erkennen:

Es ist möglich die Gedanken von Menschen lesen zu lernen: Hört sich unmöglich an? Paul Ekman und Wallace V. Friesen haben sich dieser Aufgabe in den 90ern gestellt und sie haben einen Weg gefunden: Microexpressionen / Micro-Gesichtsausdrücke.

Jeder Mensch, ob er es will oder nicht, zeigt diese Microexpressionen, auch Täter, Verbrecher oder Schuldige – aber auch Unschuldige oder falsch Verdächtigte. Und weil Ekman und andere bewiesen haben, dass man die Erkennung dieser Mikro-Gesichtsausdrücke zu erkennen lernen kann, sollten Schulen und alle Sicherheitsbehörden in diesem Bereich geschult werden. Somit könnten dann alle, aber vor allem die Polizei, diese „Gedanken“ dann im schnellsten Moment erkennen. Sie lernen somit, ob von einem Menschen Gefahr ausgeht oder ob er vielleicht nicht versteht was gesagt wird oder panische Angst hat. Somit könnten viele Falschreaktionen vermieden werden! Schulbehörden sollten dies in den Lehrplan mit aufnehmen, damit wir uns als Menschen untereinander besser verstehen lernen! Wäre das nicht mal was?!

Ekman hat auch schon in den USA bewiesen, dass man in kürzester Zeit „Gedankenlesen“ lernen kann, indem er mit einem kurzen 30-minütigen Film Polizisten geschult hat und diese hinterher, nach nur 1,5 Stunden in der Lage waren diese Microexpressionen zu erkennen.

auf www.facecoaching.de kann jeder einen Microexpressions Kurztest machen und schauen, wie gut man selber darin ist diese Microexpressions zu erkennen, also die Gedanken oder besser, die Gefühle anderer Menschen zu lesen. Man findet dort ein Bild mit einem Mann und wenn man mit der Maus auf das Bild klickt, dann sieht man für einen sehr kurzen Moment diese Micro-Gesichtsausdrücke, die jeder Mensch automatisch und unbewusst von sich gibt – Testen Sie sich selber mal: https://facecoaching.de/microexpressions-kurztest.html

Ein Interview der Süddeutschen Zeitung mit Paul Ekman finden Sie unter: https://www.sueddeutsche.de/wissen/ein-luegenexperte-im-interview-mir-entgeht-kein-gesichtsausdruck-1.471158

Hintergrund: In 1980 veröffentlichten Paul Ekman und Wallace V. Friesen „Facial Signs of Emotional Exprerience“ / Gesichtsausdrücke und Emotionale Gefühle im Journal of Personality and Social Psychology / Journal der Persönlichkeit und Sozialen Psychologie ihre Erkenntnisse – damit sind sie die Entdecker der Micro-Gesichtsausdrücke / Microexpressionen (diesen Beitrag kann man Online lesen oder herunterladen als PDF) – Sie erweiterten Ihren Befund und erstellten das Facial Action Coding System (FACS) / Gesichtsbewegungskodierungssystem (500 Seiten lang).  Auch der berühmte Professor and der Universität von Washington John Gottman, der seit Jahrzehnten Ehen und die emotionalen Zustände von Paaren studiert hat mit den beiden zusammengearbeitet. Dies sind drei der wichtigsten Wissenschaftler unserer Zeit. Eine Deutsche Studie hat Ekmans Thesen dann kurze Zeit später bewiesen!

(Maren Zimmermann)